Wenn der Wald zum Klassenzimmer wird

Helga Scholz

Hinter unserer Schule in Evinghausen befindet sich ein kleiner, historischer Buchenbrennholzwald mit eingemischten alten Eichen. Jahrzehntelang sind unsere Schüler mit ihren Lehrern durch diesen Privatwald gewandert und haben dort geforscht und gespielt.

Doch die Natur steht nie still, sondern entwickelt sich immer weiter. So auch dieser Wald. Für die Brennholznutzung wurden früher die Bäume in regelmäßigen Abständen auf den »Stock gesetzt«. Aus den verbliebenen Stubben entwickelten sich neue Triebe, die irgendwann wieder genutzt wurden. So entstand ein Wald mit jungen Bäumen, die auf uralten, verwucherten Wurzeln standen. Diese Wurzeln waren durch das hohe Alter und die häufige Verwundung faul und die Fäule zog in die stehenden Bäume hoch. Gleichzeitig wurde dieser Wald, seit die Höfe Ölheizung bekommen haben, nicht mehr bewirtschaftet und stand nur noch der Schule zur Verfügung.

Aber Bäume wachsen weiter und konkurrieren um Licht, Wasser und Nährstoffe. Nach dem trockenen Jahr 2003 wurde der Stress für die Vegetation zu groß. Beschattete Kronenteile starben ab und gefährdeten unsere Kinder durch abfallende tote Äste. 2007 wurde der Wald einstweilen für die Schüler gesperrt.

Grundsätzlich waren sich alle einig, dass der Wald nicht einfach abgeholzt werden, sondern als Altbestand erhalten bleiben sollte, um irgendwann wieder sicher für die Schulgemeinschaft zur Verfügung zu stehen. Um dies zu er­reichen, muss er in vielen kleinen Schritten stabilisiert und verjüngt werden. Ziel ist es, einen lichten Altholzschirm aus gesunden Buchen und Eichen herauszubilden, der mit jungen, standortgerechten Pflanzen unterbaut wird.

Von der Schule aus gut zu beobachten, wurden dafür nun jedes Jahr einige der kranken Bäume gefällt, die »schlimmsten« zuerst, damit sich die verbleibenden Buchen und Eichen an den plötzlichen Freistand gewöhnen und sich ihre Kronen langsam erholen können. Das ist ein kontinuierlicher Prozess, der einige Jahre dauern kann. Mit der Zeit entstehen Lücken, die zugepflanzt werden sollen. Die Waldbesitzer boten an, die Schule in die Umstrukturierung des Wäldchens einzubinden. Zum Beispiel können unsere Schüler in vielen Kleinprojekten helfen, die Lücken auszupflanzen und sie zu pflegen. Wir planen außerdem, einen ökologisch wertvollen Waldrand anzulegen. Die Waldbe­sitzer übernehmen alle Materialkosten.

Für die Arbeit in Frage kamen zunächst die Schüler der Klassen 5 bis 7, wobei noch offen war, ob es Klassenprojekte oder ob es Winteraktionen für den Gartenbauunterricht werden sollten. Dafür, diese Aufgabe im Gartenbauunterricht zu bearbeiten, spricht, dass man sie, so der Boden nicht gefroren ist, gut im Winter bewältigen kann, sowie die kleineren Gruppen und der damit bessere Betreuungsschlüssel. Außerdem muss sich nicht jeder Klassenlehrer aufs Neue in die Details einarbeiten, weil der Garten­baulehrer die Hauptarbeit übernimmt. Nichtsdestotrotz muss der Klassenlehrer dabei helfen, im Sinne des pädagogischen Dreischritts seine Schüler an das Thema heranzuführen und ihnen möglichst viele Anknüpfungspunkte zu bieten und sie so zu motivieren.

Auch die einzelnen Jahrgangsstufen waren differenziert zu betrachten. Theoretisch gehörte ein solches Projekt an unserer Schule in die 7. Klasse, in der auch das Forstpraktikum angesiedelt ist. Praktisch sind die Schüler in diesem Alter für körperliche Arbeiten in Schulnähe eher schwer zu begeistern. Dagegen zeigte sich bei einem ersten erfolgreichen Pflanzgang im Schulwald, dass die jüngeren Kinder der 5. Klasse körperlich bereits gut in der Lage sind, im Wald kleine Bäumchen zu pflanzen, und dass sie leichter zu begeistern sind als ältere Kinder. Außerdem haben sie noch zwei bis drei Jahre in der Mittelstufe vor sich, in denen sie »ihre« Anpflanzung pflegen können.

Eine gute Vorbereitung muss sein. Auf Waldspaziergängen werden verschiedene Waldbilder – eine Fichtenmonokultur im Gegensatz zu einem vielschichtigen Laubmischwald – besichtigt und vergleichend besprochen. Spannend ist auch eine Diskussion über die Entwicklung der Bäume und vor allem über ihr voraussichtliches Alter. Welcher Ur-Ur-Ur-Opa hat die Buche gepflanzt, die wir heute fällen? Was wird unser Ur-Ur-Ur-Enkel wohl mit der Eiche machen, die wir heute pflanzen?

Vor jeder Pflanzaktion müssen die Grundtechniken für das Pflanzen geübt werden. Die kleinen Bäumchen sollen in einem festen Verband (zum Beispiel 2 x 1 m) gepflanzt werden, damit sie bei der späteren Pflege leichter zu finden sind. Eine gerade Reihe in unebenem Gelände zu pflanzen, ist nicht einfach. Hier helfen Leinen und Fluchtstangen.

Für die Abstände in der Reihe benutzen die Kinder Markierungen an ihren Spaten oder Zollstöcke.

Jeder Waldboden hat über dem eigentlichen Mineralboden eine Humusschicht aus sich zersetzenden Blättern und Nadeln. Wichtig ist bei der Pflanzung, dass die kleinen Wurzeln immer vollständig in den Mineralboden gepflanzt werden, damit sie feucht gehalten werden und anwachsen können. Alle Pflanzen sollen sorgfältig so fest angetreten sein, dass der Lehrer sie nicht allein mit zwei Fingern herausziehen kann. Diese Probe betrachten die Schüler in der Regel als Herausforderung und bemühen sich sehr, gut zu pflanzen.

Pflanzarbeit ist eine schwere und eintönige Arbeit. Es ist gut, viele kleine Pausen zu machen und sie entweder mit Wissen über die Nahrungskette im Wald (Blattfall, Humus, Nährstoffe), die Standortansprüche und das Aussehen der Baumarten im Winterzustand zu füllen oder kleine Alternativaufgaben zu stellen. Man kann Äste und Reisig für den Igel und Heckenbrüter an einer Stelle sammeln lassen, Baumhöhen mit der Stockmethode messen oder einfach kurze umweltpädagogische Spiele durchführen. Ein Pflanzeinsatz sollte nicht länger als zwei bis drei Stunden dauern.

Auf alle Fälle lernen die Kinder eine ganze Menge über den Wald, wenn sie »ihren« Schulwald selbst neu gestalten. Gerade die Forstwirtschaft ist geeignet, das Thema Nachhaltigkeit pädagogisch zu bearbeiten. Zum einen bietet die Bedeutung des Waldes für das Klima viele Anknüpfungspunkte für dieses Thema, zum anderen planen und arbeiten wir in sehr viel größeren Dimensionen, als wir es aus unserem Alltag gewohnt sind. Über die Jahre ihrer Schulzeit beobachten die Kinder das Wachstum der gepflanzten Bäume und erfahren so, dass unser menschliches Handeln nicht nur auf den Augenblick ausgelegt sein darf, sondern Auswirkungen auf kommende Generationen hat – im Guten wie im Schlechten.

Links: www.dbu.de. und www.erfahrbare-nachhaltigkeit.de

Literatur: Joseph Cornell: Mit Cornell die Natur erleben: Naturerfahrungsspiele für Kinder und Jugendliche, Mülheim a. d. Ruhr 2006