Wickel und Auflagen. Heilsame Helfer bei Gesundheit und Krankheit

Von Carola Edelmann, Dezember 2021

Wer kennt sie nicht – die Situation nach einem Kindergeburtstag: Alle sind erschöpft und das Kind ist vor lauter Eindrücken völlig überdreht und kann nicht einschlafen.

Foto: © photocase.de / VICUSCHKA

Hinweis: Der Artikel erschien im Herbstheft 2021 der Zeitschrift »Frühe Kindheit«. Das Heft können Sie hier bestellen. Hefte, die älter als ein Jahr sind, stehen in unserem Archiv zum Download für Sie bereit.


Jetzt könnte eine »Ruckzuck-Dampfkompresse« Abhilfe schaffen. Vor allem, weil sie, wie der Name schon verrät, ohne großen Aufwand angelegt werden kann.

Man benötigt:

  • 1 Wärmflasche
  • 2 Waschhandschuhe (Frottee-Waschlappen)
  • 1 Gästehandtuch oder Heilwolle
  • 1 (Woll-)Schal
  • ca. 250 ml heißes Wasser mit oder ohne einen Teelöffel Lavendel Bademilch
  • 1 Paar Gummihandschuhe
  • und eine passende Geschichte vom helfenden »Wickelzwerg«.

Wenn das Kind bettfertig ist und das gewohnte Abendritual erhalten hat, dann kommt der gut duftende Wickel. Sie nehmen einen Waschhandschuh, tauchen ihn in das vorbereitete heiße (Lavendel-)Wasser und wringen ihn mit angezogenen Gummihandschuhen stark aus, denn trockene Hitze ist verträglicher und hält länger an. Die Gummihandschuhe werden wieder ausgezogen und der feucht heiße Waschhandschuh wird in den trockenen Waschhandschuh gesteckt, so dass der feuchte nicht mehr zu sehen ist. Die Wärme des Wickelpäckchens sollte dann am eigenen, inneren Handgelenk geprüft werden, sie soll gut erträglich sein. Nun kann man dieses Päckchen dem Kind auf den Solarplexus legen (zwischen Nabel und Brustbeinspitze), darauf das Gästehandtuch oder die Heilwolle und rundherum einen Wollschal wickeln, darüber die Unterwäsche und den Schlafanzug anziehen. Sind die Füße kalt, brauchen sie schon vor dem Wickel eine Wärmflasche, die dann auch noch auf den Bauch gelegt werden kann (nur leicht gefüllt und nicht zu heiß). Schläft das Kind tief und fest, können Sie die Waschhandschuhe entfernen und die restlichen Tücher angelegt lassen. Nun wünscht der Wickelzwerg auch Ihnen eine gute Nacht!

Wirksamkeit und weitere Anwendungen

Durch die Feuchte der Dampfkompresse dringt die Wärme rasch über das Sinnesorgan Haut in die Tiefe und führt zur Entspannung des Solarplexus. Nun kann sich von dort aus Wärme und Entspannung im ganzen Organismus ausbreiten.

Das ist eine Form der Anwendung für die Ruckzuck-Dampfkompresse. Sie hilft auch bei vielen anderen Nöten, so z.B. mit Thymiantee auf die Brust bei Husten, um den Schleim zu lösen und den Hustenreiz zu lindern.

Mit Kamillentee bei Bauchweh und Durchfall, um den Darm zu beruhigen und zu entspannen auf den Bauch (Vorsicht nicht bei entzündlichen Prozessen wie Appendizitis).

Und nicht zuletzt: Für die Eltern zur Selbstpflege als Leberkompresse mit Schafgarbentee (z.B. nach dem Abstillen, wenn sich die Mutter ausgelaugt fühlt, zur Regeneration nach einer Krankheit oder einfach zur Prävention, um die Leber bei ihrer anspruchsvollen Arbeit zu unterstützen. Am besten mittags nach dem Essen auf die Leber – diese liegt unter dem rechten Rippenbogen – für 20-30 Minuten auflegen und 20-30 Minuten Nachruhe anschließen.

Grundsätzliches zu Wickel und Auflagen

Es ist erfreulich zu beobachten, dass die Wickelanwendungen ihre Bedeutung in der Vorsorge und Fürsorge bei Krankheiten wieder zurückerobert haben. Mit ein wenig Interesse, Kenntnis und Sorgfalt sind sie auch gut anwendbar. Es gibt eine Vielzahl von Wickeln und Auflagen für viele verschiedene Situationen und inzwischen auch eine reiche Literatur darüber. Das Buch von Ursula Uhlemayer: Wickel & Co. Bärenstarke Hausmittel für Kinder ist zum Einstieg zu empfehlen. Sicher lässt sich auch in Ihrer Umgebung das Angebot eines Wickel- und Auflagenkurses für Eltern finden.

Für den Beginn ist es ratsam, den einen oder anderen Wickel erst einmal bei sich selbst oder dem Partner auszuprobieren, damit man dann im Ernstfall weiß, wie es geht und wie die Anwendung sich anfühlt und wirkt.

Am besten ist es, wenn man sich ein Wickelkörbchen mit den nötigen Utensilien richtet: Waschhandschuhe, ausgediente Wollschals, Wollsocken, Geschirrtücher, alte Stoffwindeln (alles aus Naturfasern), Heilwolle, evtl. Badethermometer, 1 Paar Gummihandschuhe, 1 Wärmflasche und zur Krönung einen Wickelzwerg, der mit seinen Geschichten hilft, gesund zu werden.

Auch die nötigen Substanzen hat man meist zuhause: z.B. Kamillentee, Thymiantee (in dreifach stärkerer Konzentration als die normale Trinkstärke), Lavendelbademilch. Alle Substanzen sollten möglichst aus biologischem Anbau stammen und sind erhältlich in der Drogerie und Apotheke.

Ein Leitfaden zum »Wickeln«

Bevor ein Wickel angelegt wird, sollte man sich Klarheit darüber verschaffen, ob der Zeitpunkt richtig ist. Es benötigt genügend Zeit zum Vorbereiten für den Wickel, für die Durchführung und Nachruhe. Es ist wichtig, das Kind mit ins »Boot« zu nehmen.

Größere Kinder sollten vorher auf die Toilette gehen. Alle brauchen erst einmal warme Füße, damit der Wickel auf den ganzen Organismus wirken kann. Am besten richtet man ein Krankenlägerchen mit Kissen und Decken und einer Wärmflasche ein, wo sich das Kind entspannen und umsorgt fühlen kann. Ist der Wickel, wie oben beschrieben, angelegt, ist es wichtig, in Ruhe und ungeteilter Aufmerksamkeit das Kind zu begleiten, um den Verlauf gut beobachten zu können. Je nach Wickel ist die Dauer sehr unterschiedlich. Hält das Kind die empfohlene Anwendungsdauer nicht aus, dann beenden Sie den Wickel und halten noch ca. 20 Minuten Nachruhe mit Ihrem Kind. Ist es schwierig für das Kind, zur Ruhe zu kommen, können Sie ihm seine Lieblingsgeschichte erzählen oder vorlesen. Bitte auf elektronische Medien verzichten.

Es ist günstiger, die ersten Male die Wickel evtl. kürzer anzuwenden und langsam die Zeit zu steigern, wenn dies dem Kind hilft, die Wickel zu akzeptieren. Immer ist es wichtig, seine Reaktion ernst zu nehmen und trotzdem zu versuchen, den Wickel durchzuführen. Eine gute und phantasievolle Vorbereitung und Begleitung ist sehr hilfreich; ebenso, dass Sie sich durch eigene Erfahrung sicher in der Wirkung des Wickels geworden sind.

Die Nachruhe ist der zweite Teil der Anwendung. Während der Wickel anliegt, bekommt der Körper Heilimpulse, die Selbstheilungskräfte werden angeregt. Nun benötigt der Organismus Zeit, in der Nachruhe auf diese Impulse antworten zu können. Um die heilende Wirkung nachklingen zu lassen, ist es wichtig, dass das Kind noch in seiner gewohnten Umgebung bleibt.

In der Regel wird eine Wickelanwendung einmal täglich angelegt. Wie viele Tage »gewickelt« werden soll, hängt vom Krankheitsverlauf ab. Selten können allergische Reaktionen auf die Substanz auftreten, dann ist es wichtig, auf eine andere Substanz umzustellen. Bei schweren Krankheitserscheinungen sollte ein Arzt zu Rate gezogen werden.

Wickel als Begleiter durch die Kindheit

Wickel können bei Gesundheit und Krankheit zum Wohlbefinden beitragen. Kinder, die mit diesen Anwendungen vertraut sind, wissen oft von sich aus, was ihnen gut tut und wünschen sich einen wohltuenden Wickel.

Als mein Patenkind mich fragte, was ich als Kinderkrankenschwester bei den Familien mache, erzählte ich ihr, dass ich z.B. den Eltern zeige,
wie man Brustwickel bei Husten macht. Darauf reagierte sie sehr stolz: »Meine Mama braucht dazu keine Hilfe, das kann sie ganz alleine.« So sind die Wickel für Eltern und Kinder vor allem an Krankheitstagen wichtige Begleiter. Für die Eltern, weil sie jederzeit die Möglichkeit haben, dem Kind zu helfen und für das Kind, weil es erleben kann, dass die Eltern Sicherheit ausstrahlen und wissen, was zu tun ist. Das wirkt auf Eltern und Kinder beruhigend und bringt die nötige Gelassenheit, mit der Situation umgehen zu können. Wenn die Krankenzeit durchgestanden ist, kann man

erleben, dass es trotz Kranksein eine besondere Zeit war und das Kind zu einer »neuen Gesundheit« gefunden hat. Man kann die Bedeutung der Wickel für den Familienalltag auch salutogenetisch begründen: »Gesundheitsfördernd ist die Möglichkeit, in der jeweiligen Situation wirksam handeln zu können, das Geschehen zu verstehen und die Sinnhaftigkeit seines Tuns zu erfahren« (Antonovsky).

Die äußeren Anwendungen unterstützen das Kind auch auf erstaunliche Weise in seiner Entwicklung. Man versteht dies, wenn man bedenkt, dass das Kind in den ersten sieben Jahren »ganz Sinnesorgan« ist, also die Welt mit seinen Sinnen aufnimmt, was bis in den Leibaufbau hineinwirkt. Die Haut ist unser größtes Sinnesorgan und so können die Wickel entscheidend zur Gesundheitsförderung beitragen.

Mit Natursubstanzen die Verbindung zur Welt stärken

Wenn Sie dann im Sommer mit den Kindern den Blumen und Früchten, die sie als Wickelsubstanz erleben durften, in der Natur begegnen und sie bestaunen, wächst die Ehrfurcht vor der Natur und die Freude über die ihr innewohnenden Heilkräfte. Die Kinderseelen erleben, dass die Welt gut ist.

Zur Autorin: Carola Edelmann ist Gesundheits- und Kinderkrankenschwester, Rhythmische Massage-Therapeutin und Elternberaterin.


Hinweis: Der Artikel erschien im Herbstheft 2021 der Zeitschrift »Frühe Kindheit«. Das Heft können Sie hier bestellen. Hefte, die älter als ein Jahr sind, stehen in unserem Archiv zum Download für Sie bereit.

Kommentare

Keine Kommentare

Kommentar hinzufügen

* - Pflichtfeld

Folgen