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Wie die Altersvorsorge der Waldorflehrer:innen zum Klimaschutz beiträgt

Silke Stremlau

Kann man beides zusammen denken?

Ja, man kann. Die Hannoverschen Kassen gehören zu den Nachhaltigkeitspionieren unter den deutschen Pensionskassen. Getragen von unserer breiten Mitgliederschaft haben wir schon früh begonnen, Nachhaltigkeitskriterien als Teil der Risikovorsorge in die Kapitalanlage zu integrieren. Wir versuchen außerdem, Investitionen an der Lebenswirklichkeit unserer Versicherten auszurichten.

Die Hannoverschen Kassen sind 1985 als Selbsthilfeeinrichtung von Waldorfschulen und gemeinnützigen Organisationen gegründet worden. Heute arbeiten mehr als 500 Mitgliedseinrichtungen und über 13.000 Versicherte mit uns zusammen. Als Waldorfschullehrer:innen, Angestellte von gemeinnützigen Institutionen oder Mitarbeitende von nachhaltigen Unternehmen sind sie auch sonst nah dran an Nachhaltigkeit und verlangen diese auch von ihrer betrieblichen Altersvorsorge. Das verschafft uns Rückenwind bei der Umsetzung von Nachhaltigkeitskriterien.

Großer Hebel

Wir bewegen zwar keine Milliarden am Kapitalmarkt, aber als mittelgroße Pensionskasse ist der größte Hebel, uns für eine nachhaltige und zukunftsfähige Wirtschaft einzusetzen, unsere Kapitalanlage. Natürlich haben wir auch »Nachhaltigkeitsgrundsätze« für unser tägliches Tun, aber ist das wirklich machtvoll? Selbstredend nutzen wir bei Dienstreisen nur die Bahn, haben keine Dienstwagen mehr oder setzen uns für familienfreundliche Arbeitsbedingungen ein. Aber der größere Hebel liegt eindeutig in einer Kapitalanlage, die soziale, ökologische und ökonomische Ziele integriert.

Wie funktioniert Nachhaltigkeit konkret?

Seit 2013 haben die Hannoverschen Kassen für sämtliche Anlageklassen Nachhaltigkeitskriterien formuliert, deren Einhaltung bindend ist. Das Verständnis von Nachhaltigkeit ist dynamisch, so dass sich die Kriterien im Laufe der Zeit auch verändern und neue Themen, zum Beispiel der Umgang mit Kohle und Erdöl, aufgenommen werden.

Bei Investitionen in Unternehmen verfolgen wir klassische Ausschlusskriterien, wie zum Beispiel Verstöße gegen die Menschenrechte, Bau oder Besitz von Atomkraftwerken, Bestechung und Korruption oder Umsätze in der fossilen Brennstoffindustrie. Bei Staaten wird überprüft, ob demokratische Rechte verletzt werden, wie hoch der Grad an Korruption ist oder ob das Land beispielsweise noch die Todesstrafe unterstützt.

Ausschlusskriterien sind allerdings immer nur der erste Schritt. Der zweite Schritt besteht dann darin, sich zu fragen, welche Unternehmen, Projekte und Ideen für eine zukunftsfähige Welt essenziell sind und welchen Beitrag die Investitionsobjekte zur sozial-ökologischen Transformation beitragen. Bei der Bewertung von Unternehmen, in die wir investieren, nutzen wir die kritische Expertise von Ratingagenturen. Diese bewerten fortlaufend die Unternehmensleistungen im Umweltschutz, für Menschenrechte oder gegen den Klimawandel.

Speziell der Einfluss auf den Klimawandel wird sicherlich in den nächsten Jahren bestimmend für die Kapitalanlage sein. So haben die Hannoverschen Kassen im Juni 2020 zusammen mit 16 anderen Finanzinstitutionen eine Klima-Selbstverpflichtung unterzeichnet. Darin verpflichten wir uns, unser Investmentportfolio an den Zielen des Pariser Klimaabkommens auszurichten.

Konkret haben wir so beispielsweise in den letzten zwölf Monaten direkte Investitionen in erneuerbare Energien in Europa getätigt, Unternehmensanleihen von Nachhaltigkeitspionieren erworben und ein Studentenwohnheim mit hervorragender Energieeffizienz in Wolfenbüttel gebaut. Außerdem kaufen wir Grundstücke und vergeben sie in Erbpacht an sozial-ökologische Wohnprojekte und entziehen damit Grund und Boden der Spekulation.

Expertise durch den externen Nachhaltigkeitsrat

Ein wichtiger Baustein im organisatorischen Gefüge der Hannoverschen Kassen ist seit 2014 die Zusammenarbeit und der Austausch mit dem Nachhaltigkeitsrat. Der Rat besteht aus vier externen Expert:innen aus den Bereichen nachhaltige Finanzwirtschaft, nachhaltiges Bauen sowie aus Vertreter:innen von Waldorfschulen und des Bundes.

Braucht es nicht mehr als ein nachhaltiges Geschäftsmodell?

Die nächsten Jahre werden sowohl für Pensionskassen als auch für nachhaltige Investor:innen turbulent und herausfordernd. Die Corona-Pandemie führt zu einer enormen Staatsverschuldung und aus der anfänglichen Niedrigzinsphase wird wahrscheinlich eine Niedrigzinsepoche.

Somit ist ein nachhaltiges Geschäftsmodell die Basis für das finanzielle Überleben in Zukunft. Es muss die planetaren Belastungsgrenzen achten und die Sinnhaftigkeit der eigenen Produkte in den Mittelpunkt stellen. Aber es braucht gleichzeitig auch eine transformative Unternehmenskultur, denn sonst verpuffen die gut gemeinten Ansätze auf der Investitionsseite. Und die bekommt man nicht geschenkt oder von Unternehmensberater:innen entwickelt, die muss man sich hart erarbeiten. Eine transformative Unternehmenskultur setzt an der Selbstverantwortung der Mitarbeitenden an, sie setzt auf Partizipation aller statt auf Ansagen von oben, auf Kooperation anstatt auf Konkurrenz und nimmt viele Impulse von neuen, agilen Arbeitsformen auf. Eine stark regulierte Pensionskasse zu einer selbstgeführten Organisation zu entwickeln, ist ein wahrer Kraftakt, aber es lohnt sich. Denn letztlich brauchen wir in der Zukunft mehr denn je Kollegen und Kolleginnen, die mit viel innerer Überzeugungskraft Bestehendes in Frage stellen und weiterentwickeln, die sich mit Leidenschaft und Kompetenz für eine nachhaltige betriebliche Altersvorsorge und für eine nachhaltige Gesellschaft im Ganzen einsetzen.

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