Mich hat es immer wieder gewundert, wie auffallend selbstverantwortlich Absolventen von Waldorfschulen oft durchs Leben gehen. Zugleich fand ich dies im Waldorfschulunterricht nicht vorgezeichnet, obwohl er eine Erziehung zur Freiheit ist. Autonomere Lernmethoden kannte ich seither fast nur von anderen reformpädagogischen Schulen. Vor allem meine eigene Schulzeit an der FWS Engelberg erinnere ich als besonders stark von Lehrern geführt. Deutlich stärker als am staatlichen Beruflichen Gymnasium, das ich anschließend besuchte. Ein guter Grund als angehender Waldorflehrer am diesjährigen Forum Selbstverantwortliches Lernen teilzunehmen, das meine Ausbildungsschule in Hildesheim zusammen mit der Akademie für Entwicklungsbegleitung ausrichtete.
26 Waldorflehrer aus ganz Deutschland brachten ihre Projekte in einen großen Kreis der Möglichkeiten ein. Dazu gehörten: frei gestaltete Epochenhefte, durch Schüler selbst entworfene und klassenübergreifend durchgeführte Experimente in der Sinneslehre, selbst gesteckte Lernziele, Gruppenarbeit in Klassenarbeiten, gegenseitige oder eigene Korrektur von Klausuren, Jahresarbeiten, die detaillierte gegenseitige Beurteilung in mündlichen Probeprüfungen für das Abitur, schließlich Unterricht, in dem Schüler ihre Aufgaben fächerübergreifend selbst auswählen oder gar selbst formulieren.
Über die große Vielfalt hinaus wurde auch deutlich, dass wir sehr verschiedene Vorstellungen von selbstverantwortlichem Lernen haben. Sollen die Schüler z.B. nur den Lernprozess selbst verantworten, oder auch das Ziel, oder gar die Bewertung ihrer Ergebnisse? Durch die große Vielfalt der Ansätze hindurch scheint sich mir aber ein gemeinsamer Wunsch zu ziehen. Nämlich der Wunsch, in der Erziehungskunst neben dem ästhetisch-schönen Aspekt dieser Kunst, der ja im klassischen Waldorfschulunterricht sehr deutlich zu Tage tritt, auch einen kreativen, freilassend-offenen Aspekt zu erkennen und zu leben. So kann Unterricht wirklich künstlerisch werden.
Zum Schluss bildeten sich fachspezifische Arbeitsgruppen und zwei regionale Foren, eines für den Norden in der Region Hildesheim und eines für den Süden in der Region München. Diese regionalen Foren sollen den Erfahrungsaustausch zwischen den jährlichen bundesweiten Foren ergänzen, die unter der Federführung von Herrn Hubert Staneker und Herrn Michael Harslem im Rahmen der Akademie für Entwicklungsbegleitung stattfinden. Zum nächsten bundesweiten Forum lädt 2015 die Waldorfschule in Coburg.
Nach dem Forum führte eine freiwillige Schülergruppe der FWS Hildesheim das Theaterstück »Die Welle« auf. Eine beeindruckende selbstverantwortete Theateraufführung, die genau zum Thema passte.
Zum Autor: Felix Berlin ist Lehrer-Trainee in der Lehrerbildung in der Praxis (LiP) an der FWS Hildesheim.