In Bewegung

Wie man Nachhaltigkeit »wetterfest« macht. Erfahrungen der Freien Waldorfschule Erlangen

Eva Gurlitt, Katja Heilmann, Michaela Ise

Der Weg zu einer klimaneutralen, nachhaltigen Waldorfschule besteht jedoch nicht nur aus vielen einzelnen Maßnahmen. Es gilt, auf die Schule als gesellschaftlichen Organismus einzuwirken und Nachhaltigkeit zu einem Handlungsprinzip zu machen, das unser Wollen, Fühlen und Denken dauerhaft durchdringt. »Als Schule verstehen wir Klimaneutralität nicht nur als eine Option, sondern als den einzigen Weg. Nachhaltigkeit darf nicht mehr nur ein Hobby sein!« »Die Schüler:innen, Lehrer:innen und Eltern sollen wissen, was Nachhaltigkeit überhaupt bedeutet und dass sie nicht nur CO2-Einsparung umfasst. Sie sollen Suffizienz, Gemeinschaft und Altruismus in ihrem Charakter verankert finden, zielführend über eine nachhaltige Gestaltung der Gesellschaft diskutieren und dann auch anpacken können.« Es waren eben diese Antworten auf die Frage: »Was ist Deine Vision für die Schule in Bezug auf Nachhaltigkeit?«, die uns im Rahmen eines Workshops mit CO₂ero – Klimaneutrale Waldorfschulen im März 2021 aufforderten, unsere Ziele festzuschreiben und unseren Platz im Schulorganismus zu definieren. Schnell wurde allen klar, dass Nachhaltigkeit mehr als nur Klimaneutralität bedeutet und es nicht nur um Zahlen, sondern vielmehr um unsere Gemeinschaft gehen muss, um ihre Lebensgewohnheiten, aber auch um Erfahrungsmöglichkeiten. Zu den konkreten Arbeitsfeldern – Ressourcen, Mobilität und Ernährung – gesellte sich nun auch der Bereich »Bildung für nachhaltige Entwicklung«, in dem es um die pädagogische, in die Zukunft wirkende Dimension geht. Daneben galt es, interne und externe Kooperationspartner zu benennen, und vor allem die Frage zu stellen, wie man die gesamte Schulgemeinschaft und die unmittelbare Öffentlichkeit – Nachbarn, Stadt, andere Schulen etc. – mit einbindet. Hier wurde groß gedacht, was uns die Komplexität unserer Aufgabe vor Augen führte und deutlich machte, dass das Projekt Nachhaltigkeit keine Modeerscheinung sein kann, sondern langfristig geplant, von vielen getragen und für immer gelebt und neu angepasst werden muss. Folgerichtig galt es, unsere Visionen festzuschreiben, nicht nur um einen gemeinsamen Ausgangspunkt zu schaffen und uns als Gruppe zu definieren, sondern auch, um andere für unser Tun und zur Mitarbeit zu begeistern. Es entstand die »Vision für eine Umwandlung der Freien Waldorfschule Erlangen (FWE) zu einem nachhaltigen Organismus«, die hier in Auszügen abgedruckt sei:

1. Wir sehen uns mitverantwortlich für den drohenden ökologischen Kollaps, resultierend aus der Klimakrise und der Zerstörung der Ökosysteme durch menschliche Aktivitäten, und wissen, dass unsere Lebensgewohnheiten in anderen Regionen der Welt bereits heute zu Armut, Hunger und Krieg beitragen.

2. Als Bildungseinrichtung sehen wir es als unsere Pflicht an, den aus der Zukunft, das heißt von unseren Schüler:innenn stammenden Impuls aufzunehmen, Geschehenes so weit wie möglich wieder gut zu machen, Bestehendes im Sinne der Nachhaltigkeit zu verändern, und der zukünftigen Generation den nötigen Entfaltungsraum für eine nachhaltige Entwicklung zu ermöglichen.

3. Als Gemeinschaft wollen wir die gesellschaftlich festgelegten Klimaziele erreichen und darüber hinaus gemeinsam an einer Zukunft arbeiten, in der Nachhaltigkeit in allen Lebensbereichen zur Normalität wird.

4. Bildung zur nachhaltigen Entwicklung wird von der ganzen Schulgemeinschaft getragen. Das bedeutet, dass die Schule zu einem Ort wird, an dem die Zusammenhänge menschlichen Wirtschaftens und Arbeitens mit dem nachhaltigen Erhalt unseres Planeten und all seinen Lebensformen erlebt, durchfühlt, durchdacht und verstanden werden können. So wird Selbstwirksamkeit im Handeln erfahrbar.

5. Dieses Ziel ist Bestandteil des waldorfpädagogischen Unterrichts. Bestehende Unterrichtsinhalte sollen unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltig­keit neu betrachtet, erweitert und in den aktuellen Kontext eingebettet werden. Hierzu ist die aktive Zusammenarbeit mit lokalen Partnern geplant.

6. Unsere Schule will als Vorbild voranschreiten und der folgenden Generation Mut machen, sich in der Gesellschaft für Themen der Nachhaltigkeit einzusetzen. Aus diesen Überzeugungen entwickelten sich konkrete Schritte, die zur Verwirklichung unserer Ziele notwendig sein würden. Im ersten Schritt sollte unsere Nachhaltigkeitsgruppe zu einem offiziellen Organ unserer Schule, zu einem Kreis mit all seinen Rechten und Pflichten gemacht werden. Die »Ernennung« zum Nachhaltigkeitskreis bedeutet in unserem Fall, dass uns ein Vorstandsmitglied verantwortlich begleitet, wodurch die Kommunikation it diesem Entscheidungsgremium leichter, regel­mäßiger und zuverlässiger gestaltet wird. Es ist damit garantiert, dass in unserem Kreis sowohl Eltern- als auch Lehrerschaft vertreten sind, und dass in den wöchent­lich stattfindenden Lehrerkonferenzen über unsere Aktivitäten berichtet werden kann. Auch die Kooperation mit anderen Arbeitskreisen, etwa dem Baukreis und dem Wirtschaftskreis, findet auf Augenhöhe statt. Zu guter Letzt stellt die Eingliederung der Nachhaltigkeit in unseren Schulorganismus unser Tun auf ein solides, hoffentlich währendes Fundament, das unabhängig von individuellem Engagement von der gesamten Schulgemeinschaft (weiter)getragen wird. Vor diesem Hintergrund erscheint es unumgänglich, das Thema Nachhaltigkeit auch in das Leitbild unserer Schule aufzunehmen. Schließlich gilt es, der Öffentlichkeit auf den ersten Blick deutlich zu machen, dass wir den von unseren Schüler:innen stammenden Impuls ergreifen und uns für eine nachhaltigere Zukunft einsetzen wollen/müssen. Diese Veränderungen wurden auch dank der großen Unterstützung durch die Mitgliederversammlung bereits auf den Weg gebracht. Dennoch stellt uns die Zukunft weiterhin vor große Herausforderungen: Neben dem Ziel, bis 2030 möglichst klimaneutral zu sein, werden wir uns um eine Ausweitung der Erfahrungsmöglichkeiten von ökologischen und nachhaltigen Zusammenhängen vor Ort bemühen. Können wir zusätzliches Land pachten, um Schüler:innen am Kreislauf der Natur, insbesondere im Bereich der Land- und Forstwirtschaft, noch mehr teilhaben zu lassen? Gelingt es uns, einen langjährigen Traum in Erfüllung gehen zu lassen und als Schulgemeinschaft Tieren einen Lebensraum zu bieten? Auch müssten viele andere Unterrichtsinhalte noch bewusster unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit beleuchtet, eventuell verändert und/oder erweitert werden. Allein ein Projekttag, an dem die Schulgemeinschaft zusammen anpackt, oder die Teilnahme einer Klasse an einem Wettbewerb zum Thema Umweltschutz, werden nur einen zarten ökologischen Handabdruck hinterlassen. Es fehlt ein schlüssiges und gut abgestimmtes Konzept zur waldorfpädagogischen »Bildung für nachhaltige Entwicklung«. Nachhaltigkeit muss also viel nachhaltiger gedacht werden.

Die Waldorfschulen bieten mit ihrer Pädagogik ein gutes Fundament: Aber das Haus muss erst noch baubio­logisch renoviert werden. Packen wir es an!

Autorinnen: Nachhaltigkeitskreis der FWS Erlangen, Eva Gurlitt (Lehrerin und Mutter), Katja Heilmann (Mutter), Dr. Michaela Ise (Lehrerin und Mutter), Kontakt: nachhaltigkeitskreis@waldorfschule-erlangen.de

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