Wie viel Eltern braucht es? Stimmen aus der Elternschaft

Bewusst besonders

Im Freistaat Sachsen wurde gerade ein neues Gesetz über Schulen in freier Trägerschaft verabschiedet. Die intensive Zusammenarbeit der Freien Schulen im Vorfeld zeigte, wie besonders die an Waldorfschulen praktizierte Eltern-Lehrer-Trägerschaft ist.

Sind wir uns dessen eigentlich bewusst?

Eine Schule in gemeinsamer Verantwortung mit allen Beteiligten zu einem Lern- und Lebensort für die Kinder zu gestalten, ist eine große und in meinen Augen beglückende Herausforderung. Gemeinsames Tun – seien es Baueinsatz, Gremienarbeit, Vorbereiten von Festen und natürlich auch das Feiern selbst – schaffen Vertrauen. Und Vertrauen stellt die Grundlage für eine gelingende Erziehungspartnerschaft dar, die wir in der Waldorfschule anstreben.

Birgit Thiemann, Ko-Geschäftsführerin an der Karl Schubert Schule Leipzig

Gruppen oder Gemeinschaft?

Ist die Eltern-Lehrer-Trägerschaft ein Irrlicht? Ja! Denn sie reduziert die Trägerschaft auf lediglich zwei Gruppen und dann auch noch die mit dem größten Konfliktpotenzial. Allein durch diese Reduzierung werden Gräben aufgeworfen, die es im persönlichen Kontakt nicht gibt, zumindest nicht tief und verfestigt. Ist die Idee der gemein­-samen Trägerschaft deshalb verkehrt oder gar gescheitert? Nein!

Denn selbst in den größten Konflikten gibt es immer noch Beteiligte, die auf der direkten Ebene zusammenarbeiten und im offenen Gespräch tiefgreifende Konflikte erkennen und ohne Verletzung benennen können. Sobald diese Qualitäten die Oberhand gewinnen, kommt es zu konstruktiven Lösungen. Genauso kann man über Absprachen und deren Einhaltung oder gelungene Gesprächsführung bei Themenarbeit den negativen Auswirkungen von Gruppenbildung vorbeugen bzw. diese im Ansatz erkennen und ansprechen.

Die Grundidee, dass Menschen gemeinsam einen Raum für Schüler schaffen, in dem diese im Mittelpunkt stehen und nach ihren Bedürfnissen zu freien Entscheidungsträgern ausgebilden werden, ist einfach nur richtig.

Thorsten Ziebell, Freie Waldorfschule Kaltenkirchen

Neuralgische Stellen

Das Zusammenwirken von Lehrern und Eltern kann sehr gut gelingen. Manchmal aber auch nicht. Woran liegt das?

Je mehr Menschen mitreden und entscheiden, desto schwieriger wird es. Wir Eltern arbeiten in der Regel in anderen Zusammenhängen. Es gibt Hierarchien mit Vorgesetzten und Entscheidern, wir haben Fragen und bekommen Antworten. Es gibt konkrete Ansprechpartner – das kennen wir so und das Umdenken auf andere Prozessabläufe fällt schwer.

Meist muss man den Konferenz-Donnerstag abwarten, um eine Antwort auf Elternfragen zu bekommen. Aber kann man da sicher sein, dass es auch in dem Sinne bewegt wurde, wie man sich das gedacht hat? Hat man in dem Lehrer oder der Lehrerin den richtigen Fürsprecher für seine Sache gefunden? Das berühmte Vertrauen kommt hier ins Spiel. Wie viel Vertrauen kennen wir denn aus unseren bekannten Hierarchien in der freien Marktwirtschaft? Jeder steht sich selbst da doch am nächsten. Die Prozesse in selbstverwalteten Strukturen laufen langsam – das kennen wir Eltern nicht. Ungeduld macht sich meist breit.

Doch wollen wir Eltern denn nicht genau diese Strukturen ablegen, wünschen wir unseren Kindern nicht eine freie, sich selbst entwickelnde Schule, vielleicht genau deshalb, weil wir schon so angepasst sind? Aber die meisten der Eltern wissen eben nicht, wie es anders gehen kann, wie eine Selbstver­waltung funktioniert, wie man ohne Entscheider zu einer Lösung kommt. Je besser man sich kennt, je konkreter und transparenter Absprachen laufen, desto weniger Schmerzpunkte gibt es. Es stoßen hier tatsächlich Menschen aufeinan­der, die das Gleiche wollen, eine Erziehungspartnerschaft für ihre Kinder, die aber oft auf völlig unterschiedliche Weise Prozesse und Partnerschaften definieren.

Was wollen wir, wer entscheidet schließlich und wann? – Wenn man das vor allen Arbeiten, die Eltern und Kollegium gemeinsam betreffen, festlegen würde, würden sich alle Beteiligten sicherer fühlen und Sicherheit ist eine gute Basis für Vertrauen und eine offene Zusammenarbeit.

Klarheit in der Zusammenarbeit ist das Eine. Ein viel wichtigerer Faktor ist das Kennenlernen, das gemeinsame Tun, der Austausch. »Elternschulen« sind dafür eine unglaub­liche Bereicherung für die Menschen der Schulgemeinschaft. Auf der letzten Bundeselternratstagung in Gütersloh wurden in einem Forum in Kleingruppen über 60 gelungene Beispiele gesammelt, wie die »gelebte Schulgemeinschaft« unterstützt werden kann. Eine positive Energie lag im Raum, als die Teilnehmer aus ganz Deutschland von ihren Schafftagen, Eltern-Lehrer-Gremien-Essen, Theater- und Musikprojekten bis zu gemeinsamen pädagogischen Wochenenden berichteten. Die Liste, die allen Teilnehmern zugegangen ist, ist über vier Seiten lang. Gefüllt von Eltern, Lehrern, Mitarbeitern und Schülern.

Julia Chiandone, Rudolf Steiner Schule Hamburg-Bergstedt

Mehr als backen, basteln, bauen und bezahlen

»Ok! das wäre mal wieder geschafft!« Mit diesen Worten stelle ich die Schubkarre in den Geräteschuppen und schaue zu meinem Mann, der gerade die Schippen, Rechen und weitere Arbeitsutensilien in Ordnung bringt. Er nickt mir zu und gemeinsam gehen wir über das Gelände, an dem vorhin noch reges Treiben das Bild prägte. Zufrieden schweifen unsere Blicke über die künftigen Abenteuer- und Bewegungsareale für die Kinder der Unterstufe.

Ja, es war wieder ein gelungener Aktionstag an unserer Schule. Ja, an solchen Tagen zeigt sich immer wieder, wie wichtig eine gut funktionierende Elternschaft für unsere Schulgemeinschaft ist! Doch wir wollen nicht nur das

Klischee der »B’s« – bedienen. Wir können und wollen mehr. Zum Beispiel …

• in Entscheidungsprozesse eingebunden sein

• angstfrei und in Augenhöhe in einen Austausch mit Lehrkräften kommen

• eine wahrhaftige Erziehungsgemeinschaft mit den Lehrkräften leben, zum Wohle unserer Kinder

• vernetzt sein mit allen waldorfpädagogischen Institutionen innerhalb unserer Region und uns sowohl für einen bundesweiten Austausch als auch für die Eigenschulung auf Elternratstreffen und Kongressen einsetzen

• die Lehrkräfte entlasten, besonders wenn es um Auf­gaben in der Selbstverwaltung geht

• dass unsere Fähigkeiten auch in der Schulführung akzeptiert und genutzt werden

• dass wir auch in pädagogischen Belangen teilhaben können, auch wenn wir die Autonomie der Lehrkräfte respektieren.

Sicher, die Veränderungen in unserer Gesellschaft spiegeln sich auch in der Elternschaft an Waldorfschulen. Es gibt immer mehr Alleinerziehende, »Patchwork-Familien« oder Elternhäuser, in denen beide Elternteile einer bezahlten Arbeit nachgehen. Da lassen sich die Ideale einer Waldorfschule nicht mehr leicht und konsequent realisieren – und schweren Herzens gestehe ich ein – auch nicht an »meiner« Schule. Doch ich halte an meiner Vision fest und lerne dabei, mich auch an kleinen Erfolgen zu freuen.

Gerdi Horn, Freie Waldorfschule Mittelrhein, Neuwied

Was wollen Eltern eigentlich?

Diese Frage, gestellt in einer Arbeitsgruppe zur Eltern-Lehrer-Schüler-Zusammenarbeit im Rahmen einer Mitgliederversammlung, war genauso provokant gemeint, wie sie sich anhört.

Wo findet eine wirkliche Mitverantwortung und Mitgestaltung von Eltern, jenseits von »Backen, Bauen und Blechen« statt? Wollen »die« Eltern das überhaupt noch? Oder beschränkt sich die Mitwirkung lediglich auf Meckern und Intervention, wenn es gerade mal nicht so läuft in der Klasse des eigenen Kindes? Ein Vorwurf, der Eltern an Waldorfschulen nicht selten gemacht wird.

Also, was wollen »die« Eltern? Als Elternvertreterin an der eigenen Schule, in der Region und in der Bundes-Eltern-Konferenz ist dies eine Frage, die ich mir immer wieder aufs Neue stellen muss.

Mitwirkung von Eltern gibt es auf vielerlei Art und Weise. Leider werden die »kleinen Mitwirker«, die zum Beispiel zu jedem Bausamstag kommen und unermüdlich Fenster putzen, aber sich aus zeitlichen Gründen in keinem Gremium engagieren können, oft übersehen oder ihre Arbeit wird als selbstverständlich erachtet.

Dann gibt es die, die versuchen, die Stimmungen und anliegenden Schul- und Klassenthemen zu erkennen, zu bündeln und in Schulgremien konstruktiv und kontinuierlich zu bearbeiten. Da macht es auch nichts, wenn es sich hierbei um nicht viel mehr als zehn Leute handelt, solange sie die anderen mit im Bewusstsein haben. Leider zeigt die Erfahrung aber auch, dass Eltern immer noch viel mühsame Über­zeugungsarbeit leisten müssen, wenn es um ein vertrauensvolles Miteinander mit der Lehrerschaft geht. Vorschussvertrauen, das gerade Klassenlehrer von den Eltern gerne fordern, gibt es nur selten in umgekehrter Richtung. Die Ursachen dafür sind vielfältig und teils auch berechtigt. Um dem entgegenzuwirken, versuchen einige Landes-Eltern-Räte mittlerweile durch frühe Kontaktaufnahme und Gesprächsrunden mit den angehenden Waldorflehrern an den Seminaren, Berührungsängste abzubauen und Hemmschwellen zu überwinden.

Wenn wir die Begriffe »Eltern« und »Lehrer« und »Erzieher« einmal auflösen und uns einfach als Menschen verstehen, die innerhalb ihrer Kompetenzen und mit liebevollem Blick die Kinder auf ihren Wegen begleiten möchten, stellen wir ganz schnell fest, dass wir alle dasselbe wollen. Und im besten Falle im gemeinsamen Tun. Womit wir die Antwort hätten.

Ellen Niemann, Annie Heuser Schule, Freie Waldorfschule Berlin-Wilmersdorf

Neugierig sein und Vertrauen haben

Eltern und Lehrer-Zusammenarbeit an einer Waldorfschule, wie geht das? Die Antworten darauf sind so viel­fältig, wie es Menschen an der Schule gibt. Was für eine funktionierende Zusammenarbeit benötigt wird, sind Vertrauen und Neugierde. Neugierde ist wichtig, um den anderen mit seinen Kenntnissen und seinem Können kennenzulernen, nur daraus erwächst das Vertrauen in die Fähigkeiten (auch in die pädagogischen) des anderen. Es geht nicht um ein Einmischen oder Besserwissen, sondern man hat gemeinsam das Wohl des Kindes im Auge. Die Entscheidungen und Besprechungen müssen dabei auf den allen bekannten und besprochenen Erziehungsgrundlagen basieren. Den Zusammenarbeits-Partner zu respektieren und sich mit ihm auseinanderzusetzen, ist sicher eine schwierige Kunst, aber mit Vertrauen ist es möglich. Für die Eltern sind ihre eigenen Kinder am wichtigsten. Darum müssen pädagogische Entscheidungen oder auch Schulentscheidungen, transparent und umfassend klar kommuniziert werden. Wird das von Lehrern im Alltag nicht ausreichend gemacht, entsteht Unklarheit bei den Eltern, und daraus Misstrauen. Das ist enorm schädlich für die Schulgemeinschaft, denn negative Gefühle werden besonders schnell weiter besprochen. Um dem entgegen­zuwirken, gibt es an unserer Schule im Schulrat die Möglichkeit, Probleme und Unklarheiten anzusprechen.

Am Wichtigsten ist, den Menschen mit seinem Anliegen nicht allein zu lassen, sondern ihm zu zeigen, dass man sein Problem ernst nimmt. Denn diese Menschen haben bereits das Vertrauen in einen Teil der Schuleinrichtung verloren. Und es geht jetzt darum, den Vertrauensverlust zu beheben.

Es gibt an unserer Schule noch weitere Gremien und Kreise, in denen Lehrer mit Eltern an der Gestaltung und Führung der Schule zusammenarbeiten. Bislang kann ich nur positiv darüber berichten, obwohl es auch Zeiten gab, wo es mal »krachte«.

Aber solche Ausbrüche haben auch etwas Klärendes und Reinigendes und waren eigentlich immer hilfreich für die weitere Zusammenarbeit, wenn sie aufgearbeitet wurden. Es gibt eine Gremien-Ausnahme, wo keine Eltern mitarbeiten, das sind die pädagogischen Konferenzen. Und das erscheint mir auch sinnvoll.

Claudia Günther, Freie Waldorfschule Bremen-Osterholz

Keine elternfreien Gremien

Die Elternschaft bildet die Hülle der Waldorfschule. Damit Schule und Hülle zu einer gedeihlichen Erziehungsgemeinschaft werden können, braucht es die ständige Begegnung in der gemeinsamen Arbeit. Die Eltern stellen die größte Personenzahl an der Schule, rund zwanzig Eltern kommen auf einen Lehrer. Eltern können Lehrer von vielen Aufgaben, die nicht zwingend von Lehrern wahrgenommen werden müssen, gerade in der Selbstverwaltung, entlasten. Dadurch können sich die Lehrer auf ihr Kerngeschäft, das Unterrichten konzentrieren.

Die Lehrerausbildung beinhaltet nicht die Aufgaben der Schulführung und der Personalarbeit. Hierfür gibt es sehr oft Eltern mit guter Ausbildung, langer Berufserfahrung und hoher Kompetenz.

Aber es gibt auch Grenzen der Elternmitarbeit: Da Eltern in der Regel keine waldorfpädagogische Ausbildung haben, dürfen sie nicht in pädagogische Kompetenzen eingreifen wollen. Andererseits besitzen in Fragen der Selbstverwaltung Eltern durch ihre berufliche Erfahrung oft die höhere Kompetenz, zum Beispiel in Personal- oder Verwaltungsfragen. Einen Zielkonflikt – Lehrer wollen Waldorfpädagogik, eine Erziehung zur Freiheit –, aber Eltern wollen Abschlüsse und die Zukunftschancen ihrer Kinder nicht verbauen, gibt es nicht: Auch Eltern dürfen an ihrer Schule lernen. Sie dürfen lernen, ihren Kindern zu vertrauen. Die gepflegte und geförderte Lernfreude der Kinder und die Erziehung zur Freiheit, nämlich eigene Entscheidungen zu treffen, führen zu guten Abschlüssen. Die Schüler werden sich ihre Wünsche erfüllen. Die Wünsche der Eltern müssen sich diese selbst erfüllen.

Elternfreie Gremien sind nicht sinnvoll. Lehrer sind oft das ganze Berufsleben an derselben Schule und die Fortbildungen dienen meist der Fachdidaktik. Eine vitale Schulentwicklung und ein zeitgemäßer Blick auf die immer wieder neuen Kinder und neuen Eltern der neuen ersten Klasse ersparen viele Konflikte. Daneben sollte das Kollegium aber auch elternfreie Treffen haben, wie zum Beispiel interne Fortbildungen oder die gemeinsame Konferenz zu Schulbeginn. Eltern sollten auch bei dem Schul- und Fächerprofil mitwirken. Nur so kann der Wandel der Zeit zügig umgesetzt werden. Dies könnte eine der großen Stärken der Waldorfschulen sein; eben im Gegensatz zu den sehr langsamen Entwicklungen in der Regelschule.

Oft wünschen Eltern Partizipation. Es geht jedoch nicht um Partizipation, sondern um Gemeinsamkeit. Wenn Eltern in den schulführenden Gremien oder in der Donnerstagskonferenz mitarbeiten, entsteht ein Wir-Gefühl für die Schule und das nicht nur bei den dort mitarbeitenden Eltern, sondern bei vielen interessierten Eltern.

Es wäre wünschenswert, wenn sich das gemeinsame, vertrauensvolle Handeln von Eltern und Lehrern, so wie in einer Schulgemeinschaft, auch im Vorstand und der Geschäftsführung des Bundes der Freien Waldorfschulen zukünftig widerspiegeln würde.

Andreas Krauth, Rudolf Steiner Schule Nordheide, Kakenstorf

Waldorf reloaded

Auch Waldorfschulen sind nur Menschen: Sie haben ein Schicksal und ihren eigenen Willen, müssen ein- und ausatmen, verfügen über Kopf, Herz, Magen und Hände, welche mal mehr, mal weniger gut ihre Aufgaben erfüllen, sind bisweilen streitlustig und manchmal euphorisch und erfreuen sich bester Gesundheit oder müssen Krankheiten auskurieren. Nimmt man die Metapher vom lebendigen Schulorganismus beim Wort, wird zunächst deutlich, dass das, was eine Schule jeweils beschäftigt, auch von deren Alter abhängt und sich an einer frisch geschlüpften Waldorfschule, die noch in der Barackenphase steckt, unübersehbar von einer unterscheidet, die bereits ins Rentenalter eingetreten ist. Während im ersten Fall das Bauen die bestimmende Tätigkeit ist, die alle Beteiligten beschäftigt, neigen »angekommene« Schulen oft genug dazu, ein wenig sklerotisch zu werden und in den gewachsenen Strukturen zu erstarren. Dann wird es für nachkommende Elterngenerationen schwierig, sich mit ihnen zu verbinden und vielleicht längst notwendige Änderungen und Kurskorrekturen auf den Weg zu bringen.

Wie aber können solche Strukturen mit neuem Leben gefüllt werden? Wie kann darüber hinaus eine gemeinsame Trägerschaft entstehen, die diesen Namen verdient, in der alle Seiten vertrauensvoll zusammenwirken, ja, überhaupt aufhören, Seiten zu sein, die sich wirklich als ein Wir er­leben, dessen gemeinsames Ziel das Wohl der ihnen anvertrauten Kinder ist? Sicher auch durch die gemeinsame Arbeit an Sachthemen, doch zuallererst durch die innere Bereitschaft, das Ganze in den Blick zu nehmen und die Grenzen der eigenen Wahrnehmung zu überwinden, durch ein wirkliches Sich-Öffnen aller Akteure, das noch die eigenen Ängste und Abneigungen überwindet. Ein solcher Prozess, der weiter reicht als bloße Empathie, kann zu einer umfassenden Transformation innerhalb einer Schulgemeinschaft führen, die zugleich mit einer fundamentalen Veränderung der Kommunikationskultur einhergeht. Möglich wird dies durch das Schaffen von Begegnung, Orte für echte Gespräche, an denen alle Beteiligten in einer offenen und angstfreien Atmosphäre ihre Sorgen, Wünsche und Vorstellungen artiku­lieren können, ohne ihr Gegenüber ausgrenzen oder wesentliche Gedanken aus Furcht vor mittelbaren oder unmittelbaren Folgen unterdrücken zu müssen.

Sind diese beiden Schritte erfolgreich, dann sollte es um das Klima innerhalb der jeweiligen Schule nicht mehr schlecht bestellt sein. Und vielleicht ist dabei die Erkenntnis hilfreich, dass neugewachsene Strukturen fast ausschließlich aus Krisensituationen hervorgehen, was beweist, dass die Rede von der Krise als Chance keine bloße Floskel ist.

Sven Andresen, Emil Molt Schule, Berlin-Zehlendorf