Waldorflernt

Wir lernen auch mit Leib und Seele, nicht nur mit dem Kopf!

Ulrike Sievers
Martyn Rawson
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Zum Lernen braucht es einen sicheren Lernort, der es allen ermöglicht, sich gesehen, gehört und verstanden zu fühlen. Dabei spielen die Beziehungen zu den Mitschüler:innen ebenso eine Rolle wie das Verhältnis zu den Pädagog:innen. Gerade bei einem Lehrer:innenwechsel können wir beobachten, wie wichtig es ist, dass sich zunächst einmal Beziehungen aufbauen und Gewohnheiten entwickeln, die die Kinder als verlässlich erleben. Wer Angst hat, unsicher ist oder sich unglücklich fühlt, dem fehlt die Kraft, sich auf das Lernen einzulassen. Nur wer sich sicher fühlt, kann ohne Sorge Neuland betreten, um Unbekanntes zu entdecken.

Aber auch das leibliche Wohl spielt für die innere Lernbereitschaft eine nicht zu unterschätzende Rolle. Kindern, die frieren oder Hunger leiden, wird das Lernen erschwert. Obwohl es auch in Deutschland nicht selbstverständlich ist, dass alle Schüler:innen morgens mit einem gesunden Frühstück in den Tag starten, ist es bei uns doch meist nicht das Zuwenig als vielmehr die falsche Ernährung, die der Konzentrationsfähigkeit im Wege steht. Hinzu kommt der zunehmend zu beobachtende Schlafmangel, verursacht durch nächtlichen Internetkonsum und Social-Media-Aktivitäten, der dazu führt, dass einige Jugendliche im Unterricht ihren Nachtschlaf nachholen müssen.

Lernen braucht den Dialog

Nachdem diese Voraussetzungen gegeben sind, stehen Lehrkräfte der spannenden Aufgabe gegenüber, den Unterricht so zu gestalten, dass sie sich mit der ganzen Lerngemeinschaft auf den Weg begeben, um Neues zu erkunden und es dabei gleichzeitig allen Schüler:innen ermöglichen, den für sie passenden nächsten Schritt auf der abenteuerlichen Reise des Lernens und Wachsens zu gehen. Im Podcast #waldorf-lernt Gegenwart hören, Zukunft gestalten in der Folge Selbstständigkeit lernen… (S4E1) berichten eine Lerntherapeutin und ein Klassenlehrer über ihre Erfahrungen. Dabei wird deutlich, dass Lernen eine genaue Wahrnehmung der einzelnen Schüler:innen erfordert und insofern etwas Dialogisches ist. Es braucht eine gesunde Balance zwischen dem gemeinsamen Erleben, dem Lauschen auf die Erzählung der Lehrer:in und Phasen eigenständigen Arbeitens, in denen das zuvor Erlebte und Gelernte übend gefestigt werden kann. Dabei entstehen dann nicht nur Räume fürs Gespräch, sondern das damit einhergehende Erleben von Selbstwirksamkeit spielt auch für die Motivation der Lernenden eine wichtige Rolle. In der Oberstufe bietet selbstgesteuertes Arbeiten den Schüler:innen Gelegenheit, Lerninhalte an ihre eigene Lebenswirklichkeit anzuknüpfen und sie somit als bedeutsam zu erleben. Gleichzeitig laden wir die Jugendlichen durch entsprechende Aufgabenstellungen ein, ihr Urteilsvermögen zu entwickeln, Verantwortung zu übernehmen, ihren eigenen Standpunkt zu finden und dabei kreativ zu werden und ihre individuelle Stimme zu entwickeln – wie in der Podcast Folge Raum für Kreativität (S3E10) beschrieben. In der Podcast Folge Schule und Welt verbinden – Selbstwirksamkeit erlebbar machen (S3F4) plädiert eine Geschichtslehrerin aus Potsdam dafür, mutig Neues auszuprobieren und durch eine bewusste Fehlerkultur gemeinsam weiterzuentwickeln.

Im Team sind wir stark!

Je komplexer und herausfordernder die Aufgaben werden, desto wichtiger ist es, sich der Kraft der Gemeinschaft bewusst zu werden. Wir müssen nicht alles selbst kennen und können! Diese Botschaft ist nicht nur für Heranwachsende, sondern auch für Lehrkräfte wichtig. Sei es, dass wir in Klassenkonferenzen die Situation einer Lerngruppe oder die Bedürfnisse einzelner Kinder besprechen, in Klassenteams eine Klasse gemeinsam führen, wie in der Podcast Folge Klassenlehrerin im Team – gemeinsam und geteilt! (S3F2) beschrieben, bei Fortbildungen unsere Fach- und Methodenkompetenz vertiefen oder in Treffen mit Kolleg:innen aus anderen Schulen, wie in den #waldorflernt Online Angeboten, aktuelle Themen bewegen – immer können wir voneinander und miteinander lernen. Dabei können wir uns auch gemeinsam darin üben, aufmerksamer mit unserer Sprache umzugehen: uns im Beschreiben zu üben, anstatt allzu schnell ins Urteilen zu verfallen, ein Genderbewusstsein zu entwickeln oder uns in einer inklusiven, nicht-diskriminierenden Ausdrucksweise zu üben.

Sich vor allem das Staunen erhalten

So wie Kinder voller Staunen die Welt erkunden und dadurch immer wieder Neues lernen, so ist das Staunen über mich selbst, den anderen und die Welt auch für uns Erwachsene die treibende Kraft, uns immer wieder für die Vielfalt an neuen Situationen zu begeistern und voller Erstaunen in den Kindern den Spiegel des eigenen Tuns zu erkennen. Wenn es uns gelingt, selbst Fragende und in Bewegung zu bleiben, dann werden wir schon allein dadurch erziehend auf die Kinder und Jugendlichen wirken.

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