Das kleine Büchlein liest sich gut und ist durch seine zahlreichen Beispiele sehr illustrativ. Für den Autor, Diplom-Psychologe und Kenner der Waldorfpädagogik, ist das Zentrum der Erziehung die Schaffung eines »kommunikativen Raumes«. Die Herstellung dieses Raumes fällt Eltern seit rund 30 Jahren immer schwerer, eine gewisse Natürlichkeit gehe immer mehr verloren. Ein Beispiel für eine falsch verstandene Beziehung zwischen Eltern und Kind: Vor der Einschulung gibt es immer wieder Buchstabensuppe zu Hause zur Übung der Buchstaben; so soll alles »pädagogisch richtig« gemacht werden, es werden Erziehungsratgeber studiert. Aber vor lauter Aktionismus gerät die Beziehung zum Kind aus dem Blick. In dem kommunikativen Raum solle der Erwachsene dem Kind beim Suchen helfen, nicht beim Finden; es gehe also nicht um fertige Lösungen.
Die in den letzten Jahren stärker gewordene Individualität der Kinder macht die Schaffung des kommunikativen Raumes sicherlich nicht einfacher. Dennoch muss der Erwachsene für eine erfolgreiche Suche dem Kind Schutz, Halt und Orientierung geben. Daher sind Scheidungen für Kinder immer eine Herausforderung. Der Autor stellt die Entwicklung des Kindes in den Mittelpunkt, nicht die Erziehung zu einem bestimmten Bild. Lebt das Kind zu Hause und/oder in der Schule in einem Beziehungsvakuum, entstehen oft Verhaltensauffälligkeiten. Zu einer gelungenen Beziehung gehört es, dass Kinder ernst genommen werden. Warum also nicht in der Schule einführen, dass die Schüler ihren Lehrern auch Zeugnisse ausstellen? Wais fasst die zentrale Botschaft seines Buches in zwei
Punkten zusammen: Verhaltensauffälligkeiten entstehen aus einem Beziehungsvakuum heraus; ein Beziehungsvakuum entsteht nicht, wenn Kinder sich ernst genommen fühlen.
Mathias Wais: dialogisch erziehen. Beziehung und Methode in der Erziehungspraxis, 60 S., EUR 8,95, Gesundheitspflege Initiativ, Esslingen 2011