Klassenzimmer

Die Kraft der Bilder und das Friedensnetz-Waldorf

Tia ten Venne
FWS Dresden stellt Friedenszeichen im Alaunpark
FWS Augsburg stellt Friedenszeichen und singt »Imagine«
FWS Oberberg stellt mehrsprachig das Wort Frieden auf dem Schulhof
Die Freie Waldorfschule Tiflis in Georgien stellt einen Friedenskreis und singt die ukrainische Nationalhymne.

Sofort nachdem der erste Angriff bekannt wurde, kamen die Schüler:innen meiner sechsten Klasse mit vielen Fragen, Sorgen und vor allem mit großem Gesprächsbedarf in die Schule. Nicht nur hatten viele die Nachrichten in den Medien verfolgt, sondern auch die unmittelbare emotionale Reaktion der Erwachsenen erlebt. Sehr eindrücklich führte mir ihr Erleben vor Augen, welche Verantwortung wir nicht nur gegenüber diesen Kindern, sondern auch gegenüber ihrer Zukunft haben. 

Ich bin Waldorflehrerin geworden, weil unsere Pädagogik erlaubt, Kinder über einen so langen Zeitraum in einer Lern-, Lebens- und Arbeitsgemeinschaft zu begleiten.

Für mich auch bedeutet das, unser Beziehungsleben, das soziale Miteinander und die darin liegenden Möglichkeiten für jedes Individuum so zu gestalten, dass es sich wahrgenommen, geachtet in seinen Werten anerkannt und geschätzt fühlt. Beziehungsarbeit ist für mich die Grundlage jeder Friedenserziehung. Viel schneller als ich formulierten die Schüler:innen nicht nur ihre eigene Betroffenheit, sondern vor allem den Wunsch, aktiv etwas für den Frieden zu tun. Diesem »Auftrag« folgend war mir direkt klar, dass unsere Friedensarbeit nicht im Kleinen und Stillen geschehen konnte, sondern den Sechstklässler:innen entsprechend und der aktuellen Situation angemessen »hinaus in die Welt« gehört. So entstand sehr schnell der Gedanke, alle Waldorfeinrichtungen in unserem gemeinsamen Wunsch zu verbinden. Aus der Planung des Waldorf-Festivals 2019 heraus verfügten wir über genügend gute Kontakte, um zumindest einen Versuch zu wagen. Am 11. März um 11.30 Uhr sind insgesamt über siebzig Waldorfeinrichtungen unserem Aufruf gefolgt und haben ihren Friedens-Gedanken in der Gemeinschaft so hoffentlich noch mehr Kraft verleihen können. Wir waren so berührt von den wunderbaren Fotos und Berichten der unterschiedlichsten Aktionen. So wurde zum Beispiel in Frankfurt und Benefeld demonstriert, Oberursel organisierte einen musikalischen Flashmob mitten in der Stadt. In Witten, Hamborn, Augsburg, Hamm und an vielen anderen Orten gab es große Friedenszeichen aus Menschen, sogar eine Friedenstaube stellten die Remscheider:innen auf. Es wurde gebastelt, gesungen, gemalt, protestiert und gebetet. Allein die Kraft der Bilder, die dies eingefangen haben, ist beeindruckend und so haben sich auch meine Schüler:innen gefühlt: getragen in einer Gemeinschaft für den Frieden auf der Welt. Das Video einer Waldorfschule aus Georgien, die unter anderem die ukrainische Nationalhymne singt, hat uns alle in besonderer Weise berührt. Es hat uns aber auch gezeigt, dass wir unser Denken zu sehr begrenzt hatten. Frieden ist keine Frage der Ländergrenzen, der Sprache oder Kultur, sondern eine Frage der Haltung und des Geistes. So begann die zweite Aktion des Waldorf-Friedensnetzes. Bis Ende April möchten wir aufs der ganzen Welt 10.000 Papierkraniche als Zeichen des Friedens anfertigen und damit unseren gemeinsamen Wünschen Wind unter die Flügel geben. Wieder sind wir vollkommen überwältigt von der Reaktion und freuen uns über die Teilnahme von Schulen aus Amerika, England, Kroatien, den Nieder­landen, Schweden und Spanien. Wir hören auf jeden Fall erst dann wieder mit der Friedensnetz-Arbeit auf, wenn sie in dieser Form nicht mehr gebraucht wird und sind dankbar über die vielfältige Unterstützung unserer Waldorf-Gemeinschaft. Vielleicht gelingt es uns ja, die Verantwortung unserer Pädagogik auch für eine Erziehung zum Frieden durch das Friedensnetz-Waldorf wieder sichtbar zu machen.

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