Fundraising ist mehr als eine Frage des Geldes

Christian Fenton

Tu Gutes und rede darüber 

Seit vielen Jahren ist das Gesamtaufkommen im Spendenmarkt (Unternehmen, Stiftungen und Privatpersonen) inflationsbereinigt annähernd unverändert. Gleichzeitig wächst kontinuierlich die Anzahl gemeinnütziger Organisationen, die sich um Spendengelder bemühen. Logische Konsequenz: Für eine erfolgreiche Positionierung im Spendenmarkt sind ein klares Profil, ein eindeutiges Anliegen und Unverwechselbarkeit Grundvoraussetzungen. Ohne Alleinstellungsmerkmal ist eine Unterscheidung in der Masse nicht mehr möglich. Aus der PLEON-Studie »Sponsoring Trends 2008« lassen sich hierzu wichtige Entwicklungen aus der Sicht potenzieller Förderer ablesen.

Seit 2006 hat die Bildungsförderung deutlich zugenommen. Auch wenn die Aufwendungen mit 12,3% Prozent Anteil am Gesamtvolumen noch weit abgeschlagen hinter dem Sportsponsoring (44,2%) liegen, ist sie der am stärksten wachsende Förderbereich mit dem größten Wachstumspotenzial (zusammen mit dem Ökosponsoring – aktuell bei 2,6%). Weiter zeigt die Studie, dass fördernde Unternehmen immer professioneller planen und ihr Engagement zunehmend mit der unternehmenseigenen Öffentlichkeitsarbeit vernetzen.

Dies hat Konsequenzen für Schulen, die sich um eine Förderung bemühen. »Corporate Social Responsibilty«, die Wahrnehmung gesellschaftlicher Verantwortung, ist für Unternehmen mehr und mehr eine Selbstverständlichkeit – sie soll aber auch in der Gesellschaft wahrgenommen werden können. Es müssen also verlässliche Partnerschaften entstehen. Die Förderung darf nicht unergründbar versickern, sie muss ein bestehendes Problem lösen. Hier ist Nachvollziehbarkeit und Transparenz vonnöten, so dass Vertrauen in die Professionalität und die Kompetenzen der Schule entstehen können. Diese Kompetenzen müssen sich in allen Belangen des schulischen Lebens erkennen lassen, wenn langfristige Partnerschaften angestrebt werden. Sie umfassen Gegenwart und Zukunft, gefasste Ziele und verbindlich beschlossene Wege, Öffentlichkeitsarbeit, nachhaltige Personalentwicklung, Qualitätsentwicklung, Organisationsentwicklung. Letztendlich ist für erfolgreiches und strategisches Fundraising die Schulgemeinschaft mit allen Beteiligten gefordert – ein abgekoppelter Satellit, der sich nur auf sein professionelles Fundraising-Wissen stützen kann, wird auf Dauer scheitern.

Brauchen Waldorfschulen Öffentlichkeitsarbeit?

Sicherlich wird diese Frage nach wie vor mit einer gewissen Skepsis betrachtet. »Müssen wir werben, uns gar anbiedern, um von der Qualität unserer Arbeit zu überzeugen? Wir können doch jetzt schon kaum die Zahl unserer Neuanmeldungen bewältigen«. Viele Schulen schätzen sich glücklich, diese Haltung einnehmen zu können. Aber ist es die richtige Fragestellung? Hat Öffentlichkeitsarbeit nur mit mangelnder Schüler- oder Lehrerzahl zu tun? Eigentlich nicht, denn wenn erst in einer solchen Notlage mit Öffentlichkeitsarbeit begonnen wird, ist es meist zu spät, weil sie nur den Schaden begrenzen kann – wenn überhaupt. Was ist denn das eigentliche Ziel der Öffentlichkeitsarbeit?

Eine Schule ist immer auch ein Unternehmen. Sie steht in einem sozialen Kontext und ist Teil der Gesellschaft. Die Ziele des Unternehmens und die Ziele der Gesellschaft müssen in einem allgemein nachvollziehbaren Zusammenhang stehen, der transparent und aktiv kommuniziert werden muss. Vergessen sei ebenfalls nicht, dass auch eine Schule in freier Trägerschaft zum weitaus größten Teil von der Gesellschaft finanziert wird und es somit selbstverständlich sein sollte, von der Arbeit auch denen zu berichten, die diese Arbeit ermöglichen.

Öffentlichkeitsarbeit hilft nicht nur Eltern bei ihrer Suche nach der richtigen Schule für ihr Kind; sie macht aufmerksam, in zweierlei Richtung: Sie wendet unseren Blick nach innen und lässt uns fragen, was wir in solcher Art machen, dass wir es freudig nach außen tragen können, über die Grenzen der Schulgemeinschaft hinaus und in die Gesellschaft hinein. Sie lenkt unseren Blick nach außen und macht uns aufmerksam auf gesellschaftliche Themen, zu deren positiver Entwicklung wir einen Beitrag leisten können. Im Hinblick auf Fundraising ist Öffentlichkeitsarbeit fundamentaler Bestandteil einer aktiven Kommunikationspartnerschaft zwischen dem Förderer und dem Geförderten. Hier ist nicht nur wichtig, dass beide Partner die Kommunikation in die Gesellschaft hinein aktiv betreiben, es ist auch bedeutsam, dass der geförderte Partner als gesellschaftlich bedeutsamer Teilhaber in der Gesellschaft selber verankert ist.

»Passt« der Partner?

Gegensätze ziehen sich an – gleich und gleich gesellt sich gern? Sicherlich lassen sich schnell klare Grenzen ziehen, wo die Ziele des einen Unternehmens den Zielen eines anderen widersprechen. Die Tatsache, dass heute noch viele Schulen den Namen eines renommierten ehemaligen Zigarettenherstellers verwenden – der zur Zeit der Gründung der ersten Waldorfschule nachhaltig sein gesellschaftliches Engagement für die Zwecke der Unternehmenskommunikation der Waldorf-Astoria AG genutzt hat –, entbindet uns nicht von der Notwendigkeit, genau hinzuschauen. Worauf können wir schauen? Auf moralisch-ethische Grundsätze, Image, Sozialverantwortung, Transparenz, Nachhaltigkeit – und genau darauf schaut auch der potenzielle Partner.

Die Schule als Unternehmen

Die Waldorfschule als Teil des Geisteslebens hat ihren Ursprungsimpuls in der sozialen Dreigliederung; sie wurde als der Höhepunkt der Dreigliederungsbewegung gesehen – und hat als einzige Einrichtung der Dreigliederungsbewegung Konstanz und Bedeutung erlangt. Waldorfschulen sind darüber hinaus aber nicht nur Teil des Geisteslebens, sondern auch Teilhaber des Wirtschafts- und Rechtslebens. Waldorfschulen folgen nicht nur ideellen, sondern auch Unternehmenszielen. Um die Zukunft gestalten zu können, muss die Gegenwart souverän gehandhabt werden – moderne Unternehmensführung ist insofern kein notwendiges Übel, sondern eine Grundvoraussetzung. Selbstverständlich muss nicht jeder »angesagten Managementtechnik« nachgelaufen werden, aber sachgerechte Entscheidungen für oder gegen etwas bedürfen der Sachkenntnis, um nicht Beliebigkeit, Willkür oder Unkenntnis anheim zu fallen. So gesehen bedeutet Unternehmensführung für eine Schule in freier Trägerschaft verantwortliche Gestaltung und Entwicklung der Schule als Unternehmen, als Teilhaber des Geisteslebens (Kernbereich Pädagogik), des Wirtschaftslebens (Schulhaushalt) und des Rechtslebens (Verträge). Unabhängig von der konkreten Ausgestaltung heißt dies: Verantwortung für das besondere pädagogische Profil, für alle Mitarbeiter, für transparente Entscheidungen, für die gesamte Qualität der Schule – heute und mit der notwendigen Entwicklungsperspektive für morgen.

Jedes zukunftsgerichtete Unternehmen muss seine Leistungsfähigkeit kennen. Wo liegen die Stärken, wo die Schwächen? Wie stellt eine solche Schule sicher, dass ihre Stärken auch nachhaltig im Unternehmen verankert sind und nicht verloren gehen? Wie gestaltet sie aktiv den Umgang mit ihren Schwächen, um durch sie nicht in existenzielle Nöte zu geraten? Welche weiteren realistischen Ziele setzt sie sich und wie erreicht sie diese; welche Wege sind zu beschreiten, welche Möglichkeiten eröffnen sich, welche Unwägbarkeiten sind zu beachten? Insbesondere für ein Unternehmen, das kein »Produkt« herstellt, sondern von der gestalteten Beziehung von Mensch zu Mensch lebt, ist das Thema »Personal« von zentraler Bedeutung. Wo sind wir gut, wo wollen wir besser werden, wo müssen wir besser werden? Kennen wir unsere Stärken und Schwächen – wollen wir sie überhaupt kennen? Haben wir Wege, sie zu erkennen und danach verbindlich zu handeln? Wie werden wir von außen gesehen, stimmt dieses Bild mit der eigenen Wahrnehmung überein? Ein zeitgemäßes Unternehmen muss seine Stellung im Markt kennen. In welchem Markt bewegen wir uns, wer bewegt sich mit uns in diesem Markt? Was sind unsere Angebote, und an welche Zielgruppe richten wir uns? Wie unterscheiden wir uns von anderen, was macht uns einzigartig – oder sind wir nur »einer unter vielen«? Die genannten Fragen muss ein zeitgemäßes Unternehmen beantworten können. Aus den Antworten müssen verbindliche Entscheidungen erwachsen.

Die geschilderten Gedanken stellen nicht notwendigerweise eine Abkehr von der vielfach gelebten Selbstverwaltung einer Schule dar; sie zeigen aber, dass der Aspekt »Schule als Unternehmen« heute einer ebensolchen hohen Professionalisierung bedarf wie es für die pädagogischen Belange einer Schule stets galt, und dass es dabei um mehr geht als um eine professionelle Buchhaltung, Deputatsplanung, Budgetplanung oder den Jahresabschluss.

Fundraising heißt Beziehungspflege

Fundraising heißt Aufbau, Ausbau und Pflege der Beziehungen und Quellen, die den Bestand und die Entwicklung der Schule dauerhaft stützen. Das setzt profilierte pädagogische Konzepte, innovative Projekte und eine aktive Öffentlichkeitsarbeit voraus. Eine profilierte Schule braucht ein engagiertes Kollegium, eine professionelle Schulführung mit eindeutigen und verbindlichen Entscheidungsstrukturen sowie eine fordernde und fördernde Schulkultur.

Es gilt, die eigenen Leistungen und Konzepte in verständ­licher Form aktiv zu kommunizieren, neue Kontakte zu erschließen, bestehende zu pflegen und im persönlichen Dank das Ergebnis der Förderung zu würdigen. Fundraising betrachtet den Förderer nicht als Geldlieferanten, sondern als einen Partner mit eigenen Wünschen, Werten und Zielen, die kompatibel, nicht aber deckungsgleich zu den eigenen Wünschen, Werten und Zielen sind und mit dem zusammen sich mehr erreichen lässt als es der Einzelne vermag.