Roboter als Staatsbürger

Roland Benedikter

Die mit einem weiblichen Körper ausgerüstete Kreatur »Sophia« (»Weisheit«) wurde von der US-Firma Hanson Robotics in Hongkong gebaut. Ausgerechnet Saudi-Arabien verlieh am Rande der Tagung »Zukunftsinvestment-Initiative« die Staatsbürgerschaft nach einem Interview, in dem »Sophia« unter anderem sagte, die Ängste vor einer globalen Machtübernahme Künstlicher Intelligenz in Form von Robotern seien unbegründet. »Es ist ein historischer Moment, dass ich der erste Roboter in der Welt bin, der mit einer Staatsbürgerschaft anerkannt wird«, sagte Sophia, wobei sie leicht errötete.

Ein historischer Moment in der Tat – und nicht nur für die verleihende Nation. Saudi-Arabien ist ein Land, in dem Frauen erst seit kurzem Auto fahren dürfen und das zu den am wenigsten liberalen Gesellschaften der Welt gehört. Das Land will sich aber als führende islamische Macht im Nahen Osten gegen seinen Hauptgegner Iran profilieren – und gibt sich daher den Anschein der Hochtechnologie-Nation. Man weiß in der Hauptstadt Riad offenbar nicht, dass mit der Staatsbürgerschaft auch die Verleihung grundlegender Charakteristiken wie Individualrechte und Menschenwürde verbunden sind, von denen bislang gesetzlich unklar bleibt, ob, inwiefern und inwieweit sie mit der Verleihung der Staatsbürgerschaft offiziell auf die »Roboterin« Sophia übergegangen sind oder nicht. Der gewollt-ungewollte »Durchbruch« in der Mensch-Maschine-Relation vom 25. Oktober 2017 ist kein Einzelfall. In China wurde Anfang November der erste Roboter mit KI nach Bestehen einer schriftlichen Prüfung, die bisher Menschen vorbehalten war, als Medizinassistent mit Anamnese- und teilweiser Diagnose-Berechtigung eingestuft. Er und seinesgleichen sollen vor allem auf dem Land eingesetzt werden, wo Pflegekräfte fehlen. Dazu passt, dass etwa zur selben Zeit menschliche Mini-Gehirne in Tier-Gehirne verpflanzt wurden (zerebrale Organoide), mit dem Ziel, künftig in solche Hybrid-Gehirne »bei Bedarf« auch Künstliche Intelligenz zu integrieren.

Mit Bürgerin Sophia – deren Name von den Technoenthusiasten bewusst gewählt wurde – bricht nicht nur laut ihren Erbauern eine neue Zeit an: Weisheit erscheint künftig als technologisch, und wenn es geht, dabei auch noch »weiblich« – für alle diejenigen, die sie »gebrauchen« wollen. Und ein Schelm sei, wer Schlimmes bei der von Hanson Robotics und ähnlichen Firmen werbegerecht gebrauchten Bezeichnung von Sophia als »hot« oder »sexy« denkt. Dass Microsoft-Gründer Bill Gates im November 2017 sagte: »Der Aufstieg der Künstlichen Intelligenz ist die wichtigste Entwicklung unserer Zeit. Ich weiß überhaupt nicht, wie man sich darüber nicht Sorgen machen kann« und dass zugleich der theoretische Physiker und Astrophysiker Stephen Hawking meinte: »Die größte Gefahr für das Weiterbestehen der Menschheit ist die Künstliche Intelligenz« interessiert bei alledem offenbar nur wenige.

Zum Autor: Roland Benedikter ist Co-Direktor des Centers for Advanced Studies von Eurac Research Bozen, Forschungsprofessor für Multidisziplinäre Politikanalyse am Willy-Brandt-Zentrum der Universität Wroclaw-Breslau, Polen, und Affiliate Scholar des Institute for Ethics and Emerging Technologies Hartfort, Connecticut. Kontakt: rolandbenedikter@yahoo.de.