Volksinitiative Vollgeld in der Schweiz

Sebastian von Verschuer

Ausgerechnet in einem so reichen Land wie der Schweiz gibt es in den Städten zunehmend Menschen, die in Armut leben und Rudolf-Steiner-Schulen, die um das wirtschaftliche Überleben kämpfen müssen. Gleichzeitig bietet die demokratische Verfassung der Schweiz die in Europa einmalig günstige Gelegenheit, durch eine Volksinitiative die Schlüsselfragen unseres Geldsystems in die breite Öffentlichkeit zu bringen: nach der Volksinitiative »Grundeinkommen«, die erfolgreich 100.000 Unterschriften gesammelt hat, startet nun eine Volksinitiative »Vollgeld«. Sie will dem Souverän (dem Volk) die Souveränität in der Geldschöpfung zurückgeben. So wie die Fürsten der Vergangenheit ihre Vormachtstellung durch das Prägen von Münzen und Banknoten genutzt haben, so sollte auch heute die staatliche Notenbank allein das Privileg erhalten, Geld zu schöpfen.

Es ist wenig bekannt, dass heutzutage die Geschäftsbanken das meiste Geld in Form von Krediten auf elektronischem Wege neu schöpfen und dabei auch den Geldschöpfungsgewinn einstreichen. Angesichts der großen Bedeutung des elektronischen Zahlungsverkehrs haben die Notenbanken keinen entscheidenden Einfluss mehr auf die Geldmenge, weil Banknoten und Münzgeld an Bedeutung verloren haben. Es ist an der Zeit, die Bankgesetze an diese Situation anzupassen und nicht tatenlos zuzuschauen, wie das durch Kredite geschaffene Geld zwar auf der einen Seite die Guthaben, aber auf der anderen Seite auch die Schulden erhöht, so dass in der Gesellschaft ein Ungleichgewicht entsteht mit einer kleinen Minderheit, die schnell reicher wird, und einer großen Mehrheit, die schleichend verarmt.

Diesem Teufelskreis soll an der Wurzel Einhalt geboten werden, wenn die Girokonten mit echtem Notenbank-Geld geführt werden und die eigentliche Geldschöpfung den Privatbanken genommen wird. Damit erhält die Notenbank wieder wesentlich Einfluss auf die Geldmenge und die Geldwertstabilität. Den Banken bleibt das Kreditgeschäft in dem Umfang erhalten, in dem Spareinlagen als Kredite weitervermittelt werden. Einschnitte drohen nur im Investmentbanking mit Finanzprodukten. Die Initiative »Vollgeld« bietet die einzigartige Chance, von unten etwas zu verändern oder zumindest in eine breite Diskussion zu bringen, was die Machtverhältnisse zu Gunsten der Volkssouveränität neu ordnet.

Wird das die Geldknappheit an Rudolf-Steiner-Schulen lösen helfen? Wahrscheinlich erst einmal nicht. Die Umstellung des Geldsystems wird wenig sichtbare Veränderung mit sich bringen. Zuständig für die Kontoführung bleiben weiterhin die einzelnen Geschäftsbanken. Sollte es sich aber bewahrheiten, dass sich die Finanzmärkte verkleinern, so wird vielleicht zunehmend das Vermögen in die realen Verhältnisse zurückfließen und in Kultur und Bildung investiert oder geschenkt werden. Dann würden sich die Verhältnisse doch verändern! In jedem Fall wird klargestellt, dass Geld ein öffentliches Gut ist, das unter demokratischer Kontrolle steht, wie es Rudolf Steiner in der sozialen Dreigliederung fordert.

Sollte die Schweiz diesen Schritt hin zum Vollgeld vollziehen, so ist auf eine Ausbreitung auf den Euroraum zu hoffen, denn die Vorteile von Vollgeld, nicht zuletzt im Bereich der Tilgung der Staatsschulden, sind groß!

Link: www.vollgeld-initiative.ch

Zum Autor: Sebastian von Verschuer ist Oberstufenlehrer an der Rudolf Steiner-Schule in Hamburg-Wandsbek