Wie hoch darf das Schulgeld sein?

Detlef Hardorp

Zusammen veröffentlichten sie im Herbst 2016 einen Aufsatz mit dem reißerischen Titel »Das missachtete Verfassungsgebot – Wie das Sonderungsverbot nach Art. 7 IV 3 GG unterlaufen wird« in »Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht«, der ein ungewöhnlich großes Presseecho erzeugte. Die Autoren kommen darin zu dem Fazit, dass in den meisten Bundesländern viel zu hohe Schulgelder erhoben würden und dass die Landesregierungen das Verfassungsgebot, wonach eine Sonderung nach Besitzverhältnissen und Einkommen der Eltern an Ersatzschulen nicht gefördert werden dürfe, nicht oder nicht genügend kontrollierten. Privatschulen würden dazu neigen, besser zahlende Eltern auszusuchen, um mit mehr Geld ein verbessertes Angebot anzubieten, welches wiederum noch besser zahlende Eltern anziehe. Deswegen sollte der Gesetzgeber die Gesamteinnahmen von Schulen in freier Trägerschaft deckeln und dafür sorgen, dass die soziale Mischung an Privatschulen denen an staatlichen Schulen gleiche. Es gebe eine konsolidierte Rechtsprechung zum Thema Schulgeld, aus der eine Begrenzung des durchschnittlichen Schulgeldes auf monatlich etwa 160 Euro folge.

Es gibt jedoch keinerlei konsolidierte Rechtsprechung zur Höhe des Schulgeldes, im Gegenteil: Die Begrenzung des durchschnittlichen Schulgeldes wurde 2014 einschlägig von einem Brandenburger Verwaltungsgericht als unpraktikabel und verfassungswidrig verworfen. Und aus einem Bundesverfassungsgerichtsurteil von 1994 zu zwei Klagen der Waldorfschulen Würzburg und Augsburg wurde von Verwaltungsgerichten in Baden-Württemberg zu Unrecht eine Begrenzung der Höhe eines zulässigen Schulgeldes abgeleitet. Zu diesem Fazit kommt mein Artikel »Die Mär von den konsolidierten Schulgeldhöhen« in der Zeitschrift »Recht & Bildung« im Frühjahr 2017.

Das bestätigt ein im Sommer 2017 veröffentlichtes Rechtsgutachten mit dem Titel »Das missverstandene Sonderungsverbot für private Ersatzschulen« von Frauke Brosius-Gersdorf, Professorin für Öffentliches Recht an der Leibnitz-Universität Hannover. Sie kommt zum Fazit: »Das Sonderungsverbot enthält weder Vorgaben für die Höhe des durchschnittlichen Schulgelds von Ersatzschulen noch verlangt es eine bestimmte soziale Zusammensetzung der Schülerschaft von Ersatzschulen im Hinblick auf die Besitzverhältnisse oder den Berufs- und Bildungsstand der Eltern. (…) Bei richtiger Verfassungsinterpretation fordert das Sonderungsverbot von den Ersatzschulen, dass sie erstens die Auswahl ihrer Schülerinnen und Schüler unabhängig von den Einkommens- und Vermögensverhältnissen der Eltern vornehmen.

Zweitens müssen für den Schulbesuch erhobene Entgelte (Schulgeld) von Eltern aller Einkommens- und Vermögensschichten gezahlt werden können. (…) Damit die Ersatzschulen dem Sonderungsverbot entsprechen können, müssen die Länder sämtliche Gründungs- und Betriebskosten der Ersatzschulen durch Finanzhilfe decken, die bei wirtschaftlicher Betriebsführung anfallen.«

Das Bundesverfassungsgericht befand bereits 1987, dass die Länder eine »Schutz- und Förderpflicht« gegenüber Ersatzschulen haben, da diese eine öffentliche Bildungsaufgabe wahrnehmen, in deren Andersartigkeit der Staat sie auch gegen sich selber zu schützen habe. Weiterhin sei es offensichtlich, dass ohne Unterstützung des Staates Ersatzschulen nicht in der Lage wären, sämtliche Genehmigungsvoraussetzungen des Art. 7 Abs. 4 des Grundgesetzes zu erfüllen. Denn sie dürfen in ihren Einrichtungen und Lehrzielen nicht zurückstehen, müssen die wirtschaftliche und rechtliche Stellung ihrer Lehrer angemessen sichern und dürfen eben keine Sonderung nach den Besitz- und Einkommensverhältnissen der Eltern fördern.

Dass 1994 das Bundesverfassungsgericht im Prozess der Waldorfschulen Würzburg und Augsburg Ausgleichszahlungen bei Wartefristen forderte, wird von vielen Bundesländern (wie z.B. Berlin und Brandenburg) immer noch ignoriert. Das führt bei Schulneugründungen regelmäßig zu hohen Schuldenbergen, die letztlich nur über erhöhte Schulgelder über Jahrzehnte abbezahlt werden können. Das ist ein Politikum, über das Politiker ungern sprechen. Denn durch Wartefristen und Zuschüsse weit unter den Vollkosten einer staatlichen Schule sparen die Länder jährlich Milliarden zu Lasten derjenigen Eltern, die ihr freies Schulwahlrecht ausüben und eine Schule in freier Trägerschaft wählen.

Auf Länderebene neigen Parteien wie die SPD zu einem etatistischen Denken: Bildung soll Aufgabe des Staates sein, weswegen man freie Schulen eher argwöhnisch betrachtet und stiefmütterlich behandelt. So kürzten Berlin 2002 und Brandenburg 1999, 2003, 2005 und 2011 die Zuschüsse für freie Schulen, jeweils unter SPD-Regie. Für einige Schulen im ländlichen Raum bedeutete das in Brandenburg fast den Todesstoß, weil sie weder die Schülerzahl noch die Schulgelder auf Grund der demografischen Entwicklung erhöhen konnten.

Das nahm die SPD billigend in Kauf. Die Brandenburger Ministerin forderte die Schulen damals schnöde auf, doch einfach die Schulgelder zu erhöhen. Jetzt wirft ein SPD-Abgeordneter in Berlin den freien Schulen lautstark vor, das Sonderungsverbot »krass« zu missachten und sich in »exklusiven Clubs« abzusondern. Es sei »eine Parallelgesellschaft« entstanden. Der Verdacht liege nahe, »dass sie arme Schüler durch die Höhe ihres Schulgeldes bewusst vom Besuch ihrer Schule ausschließen«.

Für die Waldorfschulen trifft dieser Vorwurf nicht zu. Es entscheiden sämtliche Waldorfschulen in Berlin und Brandenburg über die Aufnahme von Schülerinnen und Schüler finanzblind, das heißt, die Aufnahme des Kindes geschieht unabhängig vom Schulbeitrag, der erst später ausgehandelt wird. So ist ausgeschlossen, dass ein Schulbesuch an fehlenden Finanzmitteln der Eltern scheitert.

Zum Autor: Detlef Hardorp ist bildungspolitischer Sprecher der Waldorfschulen in Berlin-Brandenburg.