Der Generation unserer Eltern und Grosseltern wäre dieses Thema für eine öffentliche pädagogische Tagung schwer erklärbar und vermittelbar. »Selbstwirksamkeit«, welch merkwürdiger Begriff. Waren für diese Generationen doch noch die meisten essentiellen Dinge des Lebens selbstwirksam und erfahrbar.
Wenn das Feuer im Ofen nicht angemacht wurde, hatte man im Winter kalt, wenn nicht gesät und geerntet wurde, erlitt man Hunger. Ein Schuh wurde vom Schuhmacher von der Sohle bis zum Schnürsenkel selber hergestellt.
Die Behauptung hingegen, die Zukunft ist gestaltbar, hätte in diesen Generationen wohl zu ungläubigem Kopfschütteln geführt in der Meinung, »Schuster, bleib bei deinem Leisten«!
Technisierung, Industrialisierung und Automation haben unsere Lebenszusammenhänge und Erfahrungen grundlegend und nicht nur positiv verändert. »Es wird kalt« sagt Beppo in Momo (Michael Ende).
Wer erfährt heute noch die wärmende Wirkung des Feuers? Die kommt doch aus der Heizung oder…? Das Essen kommt aus dem Supermarkt. Hunger ist wohl eher ein Gefühl des Wohlstandes als ein Gefühl des Mangels, wenigstens in unserer Gesellschaft. Der Schuh, wo kommt der eigentlich her? Das Design vielleicht aus Italien, die Sohle aus Südafrika, die Schnürsenkel aus Taiwan …?
Viele Dinge des Lebens sind kaum noch erfahrbar, geschweige denn selbstwirksam erfahrbar, und so muss heute Selbstwirksamkeit bereits therapeutisch eingesetzt werden.
Ein hoffnungsfroher Zukunftsschimmer ist unserer Generation allerdings gegeben, denn wir können sagen: Zukunft ist gestaltbar!
Wir wissen heute durch die Hirnforschung, dass viel weniger, als noch unsere Eltern meinten, von unseren Genen abhängig ist, sondern, dass vieles erlernt ist, manches schon im vorgeburtlichen Stadium, wie z.B. das Anlegen der Atmung. Es wird deutlich, dass eine humanistisch orientierte Bildung, die auf der kulturellen Leistung unserer vorangegangenen Generationen aufbaut, wieder in den Mittelpunkt rücken muss, den ihr die einseitige Ausrichtung auf Technik und Ökonomie entrissen hat. Es wird aber auch deutlich, dass diese Bildung nicht alleine von unseren Schulen und Hochschulen geleistet werden kann, sondern, dass dafür eine gesamtgesellschaftliche Umorientierung und Anstrengung erforderlich ist. Ein Weg dahin kann über Selbstwirksamkeitserfahrungen führen, in möglichst vielfältigen, vernetzten Strukturen.
Es können und müssen für die Kinder Erlebnis- und Gestaltungsräume in Natur- und Kulturzusammenhängen eröffnet und ermöglicht werden. Wesentlich ist, dass die Kinder von klein auf aktiv am gesellschaftlichen Leben teilnehmen können. Auch im Schulsystem sollten sie mitgestalten dürfen und darin gefördert werden, ihre Fähigkeiten selbstbestimmt und praktisch einzusetzen. Dieses nicht wie die grauen Herren in Momo meinen: »Mach mehr aus deinem Leben, spare Zeit«, sondern, im Sinne von Gerald Hüther (Neurobiologe und Hirnforscher): »Mach mehr aus deinem Leben, erkenne dich selbst und handle danach!« Unter diesem Motto steht das Thema unserer Tagung »Selbstwirksamkeitserfahrung« als zu realisierende Vision für die Zukunft.
Selbstwirksamkeit ist ein neuerer Begriff aus der Psychologie (ca. 1990) und in Bezug auf das Lernen eng mit dem Kanadier Albert Banduras (preceived self-efficacy) verbunden.
Selbstwirksamkeitserfahrung oder -erwartung stärkt das Vertrauen in die eigene Handlungsfähigkeit und die Einsicht, dass dieses Handeln auch etwas in der Welt bewirkt.
Die öffentliche Tagung dauert vom 18. bis 20. November und findet in Zürich statt. Mehr Informationen (Download PDF-Flyer)