Zur Butterwoche nach Jaroslawl

Ekaterina Koneva

Unser Austausch wurde durch die Stiftung DRJA (Deutsch-Russischer Jugendaustausch) und durch die Breuning-Stiftung gefördert. Bei jedem Austausch wird immer ein Projekt durchgeführt, bei dem russische und deutsche Schüler zusammenarbeiten. In diesem Jahr wählten wir das Thema »Feste« – ein Thema, das sich angeboten hatte, weil unsere Gäste während der Adventszeit in Heidelberg waren und unsere Schüler in der Butterwoche (Maslenitsa) nach Russland reisten.

Die Kollegin aus Jaroslawl war sehr dankbar, die Advents­zeit an unserer Schule miterlebt zu haben – beim Adventssingen, beim Entzünden der ersten Kerze auf dem Adventskranz, mit Adventskalendern, dem Weihnachts­basar und dem Plätzchenbacken; Dinge, die für Menschen in Deutschland selbstverständlich sind, für unsere Gäste aber eine Besonderheit und ein großes Geschenk waren.

Jaroslawl ist eine altertümliche Stadt, die im Jahre 2010 ihr eintausendjähriges Jubiläum feierte. Sie gehört zum »Goldenen Ring Russlands«, einem weitläufigen Gebiet nordöstlich von Moskau. Der Ring besteht aus altrussischen Städten wie Susdal, Sergijew Posad, Pereslawl-Salesski, wo man prächtige Kathedralen und Kirchen aus alten Zeiten bestaunen kann. Bei ihrer Reise nach Russland lernten die Elftklässler etwas von der russischen Kultur kennen. In Jaroslawl vertreibt man mit der Butterwoche den Winter. Es wird viel Pfannkuchen gegessen – denn er ist das Symbol der Sonne, des nahenden Frühlings.

»Total aufregend«

»Es war total aufregend, eine neue Kultur und neue Menschen kennen zu lernen, und für einige Tage mit ihnen zu leben. Es war sehr schön, dass wir Maslenitsa miter­leben konnten, es wurde viel gesungen, getanzt und leckerer Pfannekuchen gegessen. Zudem hat man einen guten Einblick in das alltägliche Leben der Schüler bekommen. Die gemeinsamen Freizeitaktivitäten, waren unterhaltsam und abwechslungsreich.«

Marlene

»Ich war sehr beeindruckt davon, wie gastfreundlich meine russische Familie war. Sie achteten immer darauf, dass es mir gut ging und ich fühlte mich sehr wohl bei ihnen. Es war sehr überraschend für mich, wie unterschiedlich die russische und die deutsche Küche doch ist.«

Amelie

Deutsche und russische Schüler nahmen an vielen Butter­wochenaktivitäten teil: Spiele, Reigen, Tänze, Pfann­kuchen backen, basteln von Strohpuppen bemalen.

Sie erfuhren etwas über die Entstehung und Bedeutung von Maslenitsa. Die Fastnachtswoche war früher das fröhlichste Fest im ganzen Jahr und wurde in Russland mit Freude erwartet. Jeder Tag hat eine eigene Bedeutung. Der Montag ist der Tag der Begrüßung, der Dienstag der Tag der Spiele usw. Der wichtigste Tag aber ist der Sonntag, der Tag der Vergebung (auf Russisch: Прощёное воскресенье). An diesem Tag bittet man um Entschuldigung, verzeiht sich gegenseitig und die Strohpuppe wird verbrannt.

Russische wie deutsche Schüler hielten in ihrer Muttersprache Präsentationen zum Thema Butterwoche. Am Schluss gab es ein Quiz, bei dem zahlreiche Fragen zu dem Fest gestellt wurden. Einige Schüler waren bereits vor zwei Jahren in Sibirien mit dabei und konnten diese beiden Erfahrungen unmittelbar vergleichen:

»Ich war schon bei dem Austausch in Jaschkino dabei. In Jaschkino waren wir immer in der Schule und hatten nachmittags unsere Projekte. Bei diesem Austausch mit Jaroslawl fand ich besonders beeindruckend, dass wir auch Sankt Petersburg besichtigen und mit Moskau vergleichen konnten. In Jaroslawl konnten wir uns viel besser auf die Kultur einlassen.«

Thomas

»Jaschkino ist ein kleines bescheidenes Dorf, in dem sich eigentlich alle untereinander kennen. Die Umgebung ist dort viel ruhiger. Ich wurde hier immer wieder mit Essen überrascht, das ich zuvor nie gegessen hatte. Jaroslawl hingegen ist eine größere und bekannte Stadt. Dort gibt es viel mehr Verkehr und allgemein trifft man hier viel mehr Menschen. Aber egal, wo ich war, muss ich sagen, dass die Menschen einen sehr herzlich aufgenommen haben, und auch immer sehr gastfreundlich waren.«

Linea

Jeder Schüler bekam ein Vertiefungsthema, zu dem er recherchieren musste: über das Schulsystem oder über die Familienstrukturen zum Beispiel. Klaras Vertiefungsthema waren die besonderen Sehenswürdigkeiten. Über die Isaak-Kathedrale in St. Petersburg schreibt sie: »Die Isaak-Kathedrale ist wohl die beeindruckendste Kirche St. Petersburgs. Sie steht mitten in der Stadt und von ihrer Kuppel aus liegt einem ganz St. Petersburg zu Füßen. … Nicht nur ihr Inneres hat mich beeindruckt. Wenn man sich der Kirche vom Newski-Prospekt aus nähert, läuft man durch viele kleinere Straßen, und dann stößt man plötzlich auf ein riesiges Gebäude, das alles um sich herum in den Schatten stellt.« Und zur Moskauer Metro schreibt sie: »Die Moskauer Metro ist eine der schönsten der Welt. Im Minutentakt schießen die Züge durch die Tunnel. Wenn man ans Ende der Rolltreppe kommt, vergisst man fast, dass man sich in einer Metrostation befindet. Es sieht wie in einem Palast aus. Nicht nur, dass es eine unglaublich beeindruckende Architektur zu bewundern gab, auch die Stationen waren sehr sauber.«

Es ist nicht immer leicht, die Schüler in die Unterrichte der Gastschule zu integrieren. In Deutschland wie in Russland haben die Schüler einen vollen Stundenplan und wenn Gäste kommen, ist es eine Herausforderung für die Lehrer, sie in ihre Unterrichte hereinzulassen oder ihre Schüler vom Unterricht zu befreien, wenn es für das Projekt notwendig ist. In Jaroslawl konnten die Heidelberger Schüler deshalb kaum die normalen Unterrichte besuchen; für sie wurden eigene Unterrichte organisiert, wenn möglich mit ihren russischen Austauschschülern, was allerdings als positiv erlebt wurde: »Wir waren nur selten im Unterricht und hatten stattdessen verschiedene Projekte, was die Zeit dort besonders interessant machte«

Thomas

Natürlich ist auch die Teilnahme an »normalen« Unterrichten ein wichtiger Bestandteil des Austauschs, denn so können die Schüler das Schulalltagsleben direkt mitbekommen. Ich denke, dass an dieser Stelle die Lehrer stärker kooperieren und vorausplanen könnten. Diese Möglichkeit hatte eine Schülerin, die vor unserer Reise nach Jaroslawl einige Monate in Kaliningrad war. Sie schreibt, dass der Unterricht in Russland ganz anders als in Deutschland gestaltet wird: »Zum einen ist er viel theoretischer und der Stoff wird viel schneller durchgenommen. Sogar in Mathematik wird ein etwas anderer Stoff durchgenommen.« Oder: »An manchen Schulen gibt es die Tradition, dass jede Abschlussklasse der Schule zum Abschied eine Glocke schenkt. Glocken stehen in Russland für Glück und vertreiben das Pech.«

Zur Autorin: Ekaterina Koneva ist Russisch- und Englischlehrerin an der Freien Waldorfschule in Heidelberg