So war es vom ersten Moment an geplant: Wir wollten und wollen ZUSAMMEN sein und doch für jeden genug Raum haben. Inklusion, wie sie lebendig und für alle bereichernd sein kann!
Zu schön für die Realität? Zu viel Idealismus?
Nach dreieinhalb Jahren können wir sagen: Inklusion gelingt bei uns da am besten, wo es um das Miteinander-Leben geht. Wo Rituale, Alltag und Feste miteinander verbracht werden. Die »junge« Grundschule konnte bei der »alten« Förderschule einfach mitmachen, weil letztere ihre Rituale schon etabliert hatte. Die Grundschüler staunten zum Beispiel über die liebevoll und aufwendig inszenierten Theaterstücke der Oberstufe, sie wurden von den Älteren ganz selbstverständlich in die Mitte der Schulgemeinschaft aufgenommen.
Wir feierten die Feste nun mit einer größeren Schülerschaft als zuvor, erdachten noch hier und da eine Ergänzung, um beim Sommerfest auch eine Herausforderung für die geschickten Erstklässler zu haben und mussten größere Nikolaussäcke nähen, weil die Grundschulklassen mehr Kinder haben als die Förderschulklassen.
Die Grundschüler werden unkompliziert und selbstverständlich in die bereits vorhandene Schulgemeinschaft der Förderschüler inkludiert.
Inklusion funktioniert auch da gut bei uns, wo Kinder sich gegenseitig zum Geburtstag einladen, egal ob Förderbedarf oder nicht. Auch dann wenn Regelschulkinder mal etwas Besonderes dürfen, eine besondere Hilfe bekommen oder etwas besonders intensiv üben müssen – genauso wie jedes Kind der Klasse. »Warum darf der drinbleiben?«, provoziert nicht die Antwort: »Weil er ein Förderkind ist«, sondern: »Weil er jetzt etwas Ruhe braucht, sonst kann er nachher nicht gut lernen. Weißt du noch, gestern hast du dich doch auch mal ein bisschen ausgeruht vom Rechnen?«
Ein Kind braucht drei Jahre, bis es langsam selbstständiger wird und eigenes entwickelt. Niemand würde dem Kind sagen: »Bleib sitzen, du lernst das Laufen eh nicht mehr!«
Auch in unserer inklusiven Grundschule sind wir noch in den Kinderschuhen, fallen hin und rappeln uns wieder auf. Manchmal schnell und fröhlich und manchmal mühevoll und zögerlich.
Wo Menschen zusammenkommen, treten natürlicherweise Konflikte, Probleme und Kontroversen auf. Es braucht weiterhin viel von der ersten Begeisterung und dem Vertrauen in unsere Inklusive Grundschule, damit sie ein selbstverständlicher und schöner Lernort für die Vielfalt der anfragenden Kinder ist.
Zur Autorin: Stefanie Ganzevoort ist Förderschullehrerin in der Bettina von Arnim Schule Marburg