Zwischen Verzweiflung und Hoffnung. Ein Klimakolloquium auf Burg Hohenfels

Mathias Maurer

Doch das Spektrum der persönlichen Betroffenheit in Bezug auf eine dringende »Transformation in der Natur, im sozialen Geschehen und auf individueller Ebene« ist groß und reicht von Äußerungen existenziell erlebten Leidensdrucks bis hin zu eloquent vorgetragenen Powerpoint-Präsentationen wissenschaftlicher Fakten und Analysen.

Eingeladen haben Stefan Ruf, Facharzt für Psychosomatik / Psychotherapie und therapeutischer Leiter der Mäander Jugendhilfe in Potsdam sowie »Schlossherr« Michael Birnthaler von EOS-Erlebnispädagogik. Tagungsort: Die Burg Hohenfels am Bodensee, eine ehemalige Dependance des Deutschritterordens, ab 1931 Internatsschule Schloss Salem und 2017 von EOS als Tagungszentrum übernommen. Gefolgt sind dieser Initiative zwanzig Individualisten aus den unterschiedlichsten Tätigkeitsfeldern: Vertreterinnen der Demokratischen Stimme der Jugend, Sonderpädagogen, Redakteure, Buchhändler, Ärzte, Filmemacher, Künstler, anthroposophische Unternehmer, Äther- und Nachhaltigkeitsforscher, Hochschul- und Eurythmiedozenten, Städteplaner, Bio-Bauern, Biochemiker und Heilpädagogen – die Altersspanne reicht von 20 bis über 70 Jahre – und keiner wusste, was ihn hier erwarten und was geschehen würde, außer dass es in einen gemeinsamen Prozess gehen sollte. Dafür sind Disparitäten und »Disruptionen« nicht die schlechtesten Voraussetzungen.

Es solle darum gehen, so Stefan Ruf, »den Bewusstseins- mit dem Nachhaltigkeitsdiskurs durch einen psychodynamischen Gemeinschaftsprozess« zusammenzubringen und dabei eine neue Begrifflichkeit zu entwickeln, die lebendigen Prozessen gerecht werde. Leitfrage sei: Wie können sich Mensch und Erde als lebendige Systeme heilend unterstützen? – Erfahrungen aus der biologisch-dynamischen Landwirtschaft einerseits, aus der anthroposophischen Medizin andererseits wiesen paradigmatisch auf eine solche erfolgreiche und komplementäre Zusammenarbeit hin. Der Weg, das Klima als atmosphärisches Beziehungs-Phänomen zu begreifen, zeichne sich ab.

Komplexe Systeme organisierten sich selbst und könnten nicht von außen gesteuert und kontrolliert werden, so Tom Bruhn vom Institut für transformative Nachhaltigkeitsforschung Potsdam, denn ein systemischer Wandel vollziehe sich durch emergente und resonante Beziehungsmuster. Mit »Wir sind das System, das wir verändern wollen« ist der kleinste gemeinsame Nenner gefunden.

In den Wisdom Council-Runden geht es tiefer und den Gedanken gesellen sich Erfahrungen hinzu. Durch diese Moderationsmethode begünstigt entsteht aufgrund der berührenden authentischen Äußerungen einzelner Teilnehmer ein Bewusstsein für Atmosphärisches. Es zeigt sich, dass diese Erfahrung aus der sehr heterogenen Gruppe eine anfängliche Gemeinschaft macht – ein konkretes Beispiel für die Emergenz sozialer Systeme. Erste konkrete Projekte zeichnen sich daraufhin im Plenum ab, wie zum Beispiel die Einrichtung eines interdisziplinären Symposions, zu dem Wissenschaftler, Bewusstseinsforscher und Praktiker eingeladen werden. Wie weit wir in Sachen Nachhaltigkeit schon sind, führte eindrücklich der Stadtplaner Ekhart Hahn mit dem Projekt Eco City in Wünsdorf vor. Und EOS entwickelt ein pädagogisches Nachhaltigkeitskonzept, auf das man gespannt sein kann. Eine Fortsetzung ist nicht geplant – sie findet – wie wir erfahren haben – im Atmosphärischen statt, in dem die Impulse weiter wirken sollen. Denn »jeder Mensch ist der ›tipping point, an dem mit kleinen Dingen Großes bewirkt werden kann«. Er kann – wo er in der Welt auch stehen mag, sofort mit einer »Transformation« beginnen, in­dem er zum Beispiel sein Konsumverhalten überdenkt.