Brandenburg: Rückschlag für die Ersatzschulfreiheit

Ingo Krampen

Die Potsdamer Verfassungsrichter ignorieren die Entscheidungen aus Dresden und Weimar weitgehend und orientieren sich nur an der (zuletzt sehr restriktiven) Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundesverfassungsgerichts. So lesen sich die Leitsätze des Potsdamer Urteils wie Wiederholungen uralter Leitsätze aus Karlsruhe und Berlin: 

1. Eine Finanzierungsregelung verstößt nur gegen die Verfassung, wenn der Bestand des Ersatzschulwesens als Institution evident gefährdet wird.

2. Die Landesverfassung gewährt dem einzelnen Schulträger keinen subjektiv-rechtlichen Leistungsanspruch in konkreter Höhe.

3. Staatliche Schulen und Ersatzschulen müssen nicht gleich behandelt werden.

4. Es gibt im Schulrecht keine gesteigerten prozeduralen Anforderungen an den Gesetzgeber.

Zu 1: Hier wirft das Gericht den Antragstellern vor, sie hätten sich hinsichtlich der Gefährdung auf Angaben zu einzelnen Schulträgern beschränkt und nicht die Zahlen für alle Ersatzschulträger vorgelegt. Da der Gesamtbetrag der Zuschüsse des Landes für Ersatzschulen gestiegen sei, könne eine Gefährdung nicht festgestellt werden. Andererseits moniert das Gericht, dass nicht dargelegt worden sei, und zwar jetzt merkwürdigerweise bezogen auf die einzelnen Schulträger, dass eine Kompensation der Kürzungen nicht kompensiert werden könne. Außerdem seien die Schulgelder nicht offengelegt worden – auch wieder bezogen auf den einzelnen Träger. Es gebe zwar Reduzierungen der Zuschüsse bei einzelnen Trägern; das gefährde aber den Bestand nicht. Das ist wirklich nicht konsequent und logisch nach den Regeln der juristischen Argumentationskunst gedacht: Es kommt zwar nicht auf den einzelnen Schulträger an, wenn die  Frage der Gefährdung geprüft wird, aber wenn eine Gefährdung erfolgreich hätte dargelegt werden sollen, hätte es der Offenlegung der Finanzen des einzelnen Schulträgers bedurft. Wie kann ein Verfassungsgericht sich denn so in Widersprüchen verheddern?

Ferner argumentiert das Gericht evident staatstreu: Die Schülerzahlen an staatlichen Schulen gehen zurück, an freien Schulen steigen sie an; also kann es den Ersatzschulen gar nicht schlecht gehen. Deswegen ist es nicht zu beanstanden, wenn das Land hier mit einseitigen Kürzungen zu Lasten der freien Träger gegensteuert. Warum denn? Wer sagt, dass die freien Träger den öffentlichen Bildungs- und Erziehungsauftrag nicht genauso gut erfüllen können wie staatliche Schulen. Warum muss denn da gegengesteuert werden?

Zu 2: Die Aussage, dass die einzelne Ersatzschule keinen Rechtsanspruch auf Bezuschussung in bestimmter Höhe hat, ist ja ein »alter Hut« seit dem Finanzhilfeurteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1992. Insofern überrascht es nicht, dass Potsdam sich ohne Wenn und Aber darauf beruft, anders als Dresden und Weimar, die diesen schon seit seiner Erfindung paradoxen Grundsatz zumindest relativieren. Aber: In § 124 Abs.1 der Verfassung Brandenburg steht ausdrücklich:

Die Träger von Ersatzschulen haben Anspruch auf einen öffentlichen Finanzierungszuschuss.

Über diesen klaren Wortlaut geht das Urteil »elegant« hinweg mit folgendem markigen Satz: Der Wortlaut… gebietet eine solche Auslegung (subjektiv-rechtlicher Anspruch des einzelnen Trägers) ebenfalls nicht, sondern lässt sich ohne weiteres (!) mit der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung vereinbaren. Zur Begründung wird darauf verwiesen, dass die »subjektive Rechtsposition« des einzelnen Trägers nur auf den Schutzanspruch betreffend die Institutionsgarantie bezogen sei. Ja, was soll das denn für eine »subjektive Rechtsposition« sein, die dem Subjekt gar keine Rechte gibt?

Insgesamt also ein Urteil, das mit der Qualität und der sehr sogfältigen differenzierten Behandlung des schwierigen Themas der Ersatzschulbezuschussung in den Urteilen von Dresden und Weimar leider nicht konkurrieren kann.