Ernährung und Gehirn

Forscher der Universität Lübeck und des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein gehen dieser Frage nach. Sie haben herausgefunden, dass eine Diät, die reich an Fett und arm an Kohlenhydraten und Proteinen ist, das Gehirn schützt (ketogene Diät). Bei einer ketogenen Diät ähnelt der Stoffwechsel teilweise dem im Hungerzustand. In beiden Fällen verbrennt der Körper Fett, das entweder aus der Diät oder aus körpereigenen Depots stammt. Dabei werden aus Fett Ketonkörper. Wie aber Ketonkörper das Gehirn schützen, war bislang unklar. Den Wissenschaftlern ist es jetzt gelungen, den Wirkmechanismus von Ketonkörpern zu entschlüsseln. Sie hoffen, mit Hilfe dieses Wissens wirksamere Therapeutika für neurologische Erkrankungen entwickeln zu können.

Bei neurologischen Erkrankungen wie Alzheimer oder Schlaganfällen sterben Nervenzellen ab. Der Untergang der Nervenzellen ist zumindest teilweise auf eine Überreaktion von Entzündungszellen zurückzuführen, die in das Gehirn einwandern. Die Wissenschaftler haben herausgefunden, dass eine ketogene Diät und die entstehenden Ketonkörper auf die Entzündungszellen, Monozyten und Makrophagen, im Gehirn einwirken. Dabei binden sich Ketonkörper an einen Rezeptor mit dem Namen HCA2, der sich auf Entzündungszellen befindet. Die Ketonkörper instruieren durch HCA2 Entzündungszellen, das Gehirn zu schützen.

Eine ketogene Diät ist so fettreich, dass sie schlecht schmeckt und bei Patienten meist unbeliebt ist. Die Lübecker Forscher fanden aber, dass auch Nikotinsäure durch HCA2 einen Untergang von Hirngewebe verhindern kann. Nikotinsäure wird bereits seit vielen Jahrzehnten zur Senkung des Cholesterinspiegels eingesetzt. Als »ketogene Diät in Tablettenform« könnte Nikotinsäure ein Comeback in einer neuen Indikation haben. Tatsächlich wurde Nikotinsäure schon in den 50er-Jahren bei akutem Schlaganfall verwendet, weil man glaubte, dass sie zu einer Gefäßerweiterung im Gehirn führt. Später hat sich aber herausgestellt, dass die Gefäßerweiterung nur auf die Haut beschränkt ist.

Die Wissenschaftler vermuten, dass durch die Aktivierung des HCA2-Rezeptors entzündungshemmende Faktoren gebildet werden, die genaue Identifizierung dieser Faktoren steht allerdings noch aus. Neben der genauen Wirkweise steht die Testung weiterer Substanzen, die an den HCA2-Rezeptor binden, auf der Arbeitsliste der Lübecker Forscher. Sie hoffen, einen Stoff mit gleicher oder besserer Wirksamkeit aber weniger Nebenwirkungen zu finden. Die zunehmende Zahl von Patienten mit neurodegenerativen Erkrankungen wie Alzheimer oder Schlaganfall wartet dringend auf neue therapeutische Ansätze.

Originalpublikation:

Rahman M, Muhammad S, Khan MA, Chen H, Ridder DA, Müller-Fielitz H, Pokorna B, Vollbrandt T, Stölting I, Nadrowitz R, Okun JG, Offermanns S, Schwaninger M. The β-hydroxybutyrate receptor HCA2 activates a neuroprotective subset of macrophages. Nature Communications. Doi:10.1038/ncomms4944

Für Rückfragen steht zur Verfügung: Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Lübeck, Institut für Experimentelle und klinische Pharmakologie und Toxikologie, Direktion: Prof. Dr. med. Markus Schwaninger, Tel.: 0451 500-2681, E-Mail: markus.schwaninger@pharma.uni-luebeck.de