Pandemie-Notfallfonds, Abgrenzung gegen Rechts und mehr Präsenz im politischen Raum: Bund der Freien Waldorfschulen stellte wichtige Weichen für die Zukunft

»Einen größeren Unterschied als zwischen dem letzten Jahr, in dem wir das 100jährige Jubiläum der Waldorfschule mit vielen Veranstaltungen gefeiert haben, und 2020 mit der Corona-Pandemie kann man sich nicht vorstellen«, betonte Vorstandsmitglied Henning Kullak-Ublick in seinem Bericht. Hatten die Waldorfschulen sich für ihre Feierlichkeiten 2019 weltweit vernetzt, so lag in diesem Jahr der Fokus der Verbandsarbeit auf den Möglichkeiten in den einzelnen Schulen und Regionen unter Corona-Bedingungen. Sehr divergierende Positionen habe man dabei integrieren müssen, aber »es ist uns gelungen, trotz dieser schwierigen Lage überall Waldorfpädagogik zu realisieren«, hob Kullak-Ublick hervor.

Unterstrichen wurde in der Versammlung auch die prekäre Lage der Waldorfschulen auf den anderen Kontinenten in der Corona-Pandemie, die sich nur aus den Schulbeiträgen der Eltern finanzieren sowie von jungen Schulen, die nur über geringe Rücklagen verfügen. Langanhaltende Schulschließungen bedrohen diese Waldorfschulen in ihrer Existenz, wie Nana Göbel von der internationalen Waldorforganisation »Freunde der Erziehungskunst Rudolf Steiners«, die aus Berlin zugeschaltet war, berichtete. Betroffen seien vor allem Schulen in Afrika und Lateinamerika, aber auch in Großbritannien und Frankreich. Ein Corona-Hilfsfonds der »Freunde« konnte bisher rund eine Million Euro Spenden für diese Schulen einwerben. Schulen in 32 Ländern konnten so unterstützt werden, so Göbel. Anfragen über eine weitere Million Euro an Hilfebedarf lägen jedoch vor. Mit großer Mehrheit beschloss die Mitgliederversammlung, nicht verbrauchte Mittel aus dem Jubiläumsjahr dem internationalen Corona-Hilfsfonds zur Verfügung zu stellen, so dass zusammen mit anderen eingesparten Kosten 300.000 Euro für den Hilfsfonds zusammenkamen.

Aktuellen Handlungsbedarf vor dem Hintergrund der Pandemie sah der Vorstand des BdFWS auch bei der »Stuttgarter Erklärung« aus dem Jahr 2007, mit dem sich die Waldorfschulen gegen Diskriminierung und rechte politische Tendenzen abgrenzen. Hier sei eine »Nachschärfung« erforderlich, hieß es von Seiten des Bundesvorstands, um unmissverständlich deutlich zu machen, dass damit auch jede Form rassistischer Diskriminierung gemeint ist.

Als Schulen ohne Auslese, Sonderung und Diskriminierung betrachten die Waldorfschulen »alle Menschen als frei und gleich an Würde und Rechten an, unabhängig von ethnischer Zugehörigkeit, nationaler oder sozialer Herkunft, Geschlecht, Sprache oder Religion«, heißt es in der Erklärung. Weder in der Praxis der Schulen noch in der Lehrerausbildung würden rassistische oder diskriminierende Tendenzen geduldet. Die Freien Waldorfschulen verwahren sich in der Erklärung außerdem »ausdrücklich gegen jede rassistische oder nationalistische Vereinnahmung ihrer Pädagogik und von Rudolf Steiners Werk«. Sie distanzieren sich von Formulierungen in diesem Werk, »die von einer rassistisch diskriminierenden Haltung der damaligen Zeit mitgeprägt sind. Sie stehen im vollständigen Widerspruch zur Grundausrichtung der Waldorfpädagogik und zum modernen Bewusstseinswandel,« wird in der Neufassung der Erklärung betont.

Insgesamt umfasst der Haushalt des BdFWS in diesem Jahr 18,6 Mio Euro – ca. 13,8 Mio Euro, davon 0,6 Mio Euro mehr als im Jahr zuvor – fließen in die Lehrerbildung. Ein neues Finanzkonzept ist in Arbeit, es soll die Lehrerbildungsbeiträge in der Zukunft sichern, die durch Elternbeiträge ohne jegliche Unterstützung von Seiten des Staates aufgebracht werden. Aufgrund des steigenden Beratungsbedarfs der Schulen wurde auch der Etat der Rechtsberatung um 200.000 Euro aufgestockt. Zusätzliche Mittel in Höhe von 65.000 Euro bewilligte die Versammlung dem Forschungsbereich, sie sollen für eine personelle Verstärkung bei der Pädagogischen Forschungsstelle im BdFWS sorgen.

Verstetigt wurde mit einem weiteren Beschluss auch die Tätigkeit der Öffentlichkeitsarbeit mit einem Etat in Höhe von 470.000 Euro. Ein Umzug der Abteilung ist im Sommer 2021 nach Berlin geplant, der für mehr Präsenz der Waldorfschulen im bildungspolitischen Diskurs in der Bundeshauptstadt sorgen soll. Mit verstärktem Netzwerken im politischen Raum wollen die Waldorfschulen so in das zweite Jahrhundert ihrer Existenz starten.

Kontakt: Presse- und Öffentlichkeitsarbeit im Bund der Freien Waldorfschulen e.V.
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