Schweiz: Alternativmedizin erlangt endgültig Verfassungsrang

Lorenzo Ravagli

Anfang Mai hat nun der Schweizer Gesundheitsminister Alain Berset mitgeteilt, aufgrund der Schwierigkeit, eine Einigung über die Prüfungskriterien zu erzielen, nach denen Wirtschaftlichkeit, Zweckmäßigkeit und Wirksamkeit der genannten Behandlungsmethoden beurteilt werden sollen, diese Methoden endgültig anderen Fachrichtungen gleichzustellen.

Damit revidiert er eine Entscheidung des früheren Gesundheitsministers Didier Burkhalter aus dem Jahr 2011, der von den Vertretern der alternativen Behandlungsmethoden verlangte, bis Ende 2015 aufzuzeigen, inwiefern die komplementärmedizinischen Fachrichtungen die drei Kriterien erfüllen. Das Departement des Inneren (EDI) wollte außerdem ein unabhängiges Gutachten erstellen lassen.

Das Schweizer Gesundheitsministerium geht nun also – und damit beugt es sich endgültig dem Willen des Souveräns – von einer grundsätzlichen Gleichwertigkeit der komplementären Medizin aus. Lediglich Einzelfallprüfungen umstrittener Methoden sollen noch durchgeführt werden. Allerdings erhebt sich auch hier die selbe methodische Frage: nach welchen Kriterien soll die Wirksamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit der betreffenden Methoden überprüft werden? Die einzige Konsequenz aus dem Bekenntnis zur Pluralität in der Medizin kann logischerweise sein, auch Prüfmethoden anzuerkennen, die mit der Philosophie und den Praktiken der jeweiligen medizinischen Methoden kompatibel sind.

Die komplementärmedizinischen Ärzteorganisationen der Schweiz begrüssten die Entscheidung des Gesundheitsministers. Ihrer Auffassung nach erfüllt die von ihnen vertretene Medizin die genannten Kriterien. Die Würdigung aller in den letzten Jahren erarbeiteten Evidenz erlaube die Feststellung, dass die Nachweisverfahren der Komplementärmedizin und der konventionellen Medizin gleichwertig seien.