Zur seelischen Bewältigung der Coronakrise

Clemens Goeke

Wodurch eine Geschichte entstehen kann

Als älterer Mensch halte ich mich an die Hinweise der Experten. Dies hat zur Folge, dass ich wie viele andere Rentner meine Enkelkinder nicht mehr sehe. Vorerst sind die Zeiten vorbei, wo ein Enkelkind neben der Oma oder dem Opa auf dem Sofa sitzt und einer Geschichte lauscht.

Da Kinder alles »Atmosphärische« um sich herum wahrnehmen, kann man ohnehin nichts vor ihnen verbergen. Das kennen alle Eltern gut, wenn Kinder unvermittelt Dinge aussprechen, die man selber in den Tiefen seines Herzens bewegt. Deshalb habe ich diese Geschichte geschrieben.

(möglichst frei erzählen und mit den Kindern ins Gespräch kommen)

Liebe Kinder, Eltern und Großeltern,

vor unendlich langer Zeit schuf Gott Himmel und Erde. An den Himmel setzte er zuerst die Sterne und die Sonne, die einen kreisförmigen Kranz bekam, eine sogenannte Korona. Die Feuerzungen, die sehr weit von ihr ausstrahlen, sind die Quelle des Lichts, der Wärme und des Lebens. Sonst könnte auf der Erde nichts wachsen, auch wenn genügend Wasser da wäre. Fest verwurzelte der Schöpfer mit seinen Helferengeln die Pflanzen, von den kleinen wunderbar geformten Moosen bis zu den großen erhabenen Mammutbäumen. Das Wasser bevölkerte er mit den Fischen und auf der Erde tummelten sich schon bald die Tiere, von den Mücken bis zu den Dinosauriern. Jedes Jahr neu könnt ihr euch so wie jetzt im beginnenden Frühling freuen, wenn ihr die ersten Blumen pflücken oder ein Häschen streicheln dürft. Die Erde, alle Pflanzen und Tiere sind die Lebensgrundlage für den Menschen.

Zuletzt erschuf Gott Vater den Menschen als Krone der Schöpfung. Er nahm dafür von allem, was er zuvor geschaffen hatte. Daher kommt es auch, dass der Mensch und der wunderschöne Himmelsplanet Erde so eng miteinander verbunden sind und sich gegenseitig brauchen. Die Felsen gaben die Knochen, die Erde den Leib, die Flüsse das Blut, die Sterne die Augen, die Wolken das Gehirn und der Wind den Atem. Und so wie die Sonne am Himmel alles Leben erwärmt und trägt, so schenkte er dem Menschen das Herz. Er hoffte, es möge immer ein liebendes Herz bleiben, indem es die anderen Menschen achtet und die Erde mit ihren Steinen, Pflanzen und Tieren pflegt. Doch da die Menschen nie zufrieden sind mit dem was sie haben, aßen schon Adam und Eva im Paradies einen Apfel vom verbotenen Baum. Zur Strafe wurden sie aus dem Paradies verstoßen.

Mit auf den Erdenweg gab Gott Vater ihnen das Versprechen, sie immer zu lieben und sie eines Tages ins Paradies zurückzurufen, doch müssten die Menschen lernen, Schmerzen zu ertragen und hart an sich zu arbeiten. Von nun an bestellten die Menschen die Felder und auch von Krankheiten blieben sie nicht verschont.

Nun müssen die Menschen ihren Weg zwischen dem Guten und dem Bösen finden, denn das Gute und das Böse sind in der Welt und im Menschen wirksam. Ihr kennt ja sicher noch alle eine alte Waage, wenn um den Ruhepunkt die Schalen schwanken. So ist es auch mit dem Guten und dem Bösen, beide Seiten sind wichtig, sonst kann der Mensch nicht seinen Weg finden und frei werden.

Ihr habt doch bestimmt auch schon einmal etwas getan was ihr nicht durftet.

Aber die Menschen entfernten sich (für die Erwachsenen: … da sie freie Wesen sind und ihren eigenen Weg nur aus sich selbst heraus finden können …) immer weiter von Gott, vergaßen, dass die wunderbare Welt allen Menschen gehört und die Erde ein lebendiges Wesen ist, das man pflegen und hüten muss. Die Menschen schändeten und plünderten ihre Erdenheimat, gingen achtlos mit den Pflanzen um, indem sie diese mit Gift besprühten oder sperrten die Tiere in zu enge Käfige. Auch als die Menschen langsam bemerkten, dass die schöne Welt zu sterben begann, bauten sie trotzdem immer größere Autos und noch mehr Flugzeuge.

Weil die Menschen zu sehr nur an sich dachten, erkrankten viele in ihrem Herzen. Das Herz ist doch wie die Sonne und will Licht und Wärme den Menschen schenken.

Und nun ist das Coronavirus unsichtbar zwischen uns. Den Namen habt ihr ja schon oft gehört und mit euren Eltern darüber gesprochen. Aber ihr braucht keine Angst zu haben, Kinder sind von der Krankheit so gut wie nie betroffen, weil Kinder dem Himmel noch so nahe sind. Und außerdem könnt ihr euch immer wieder gesund spielen. Gut ist es für euch, wenn ihr mit euren Eltern viel nach draußen geht, am besten in einen Park oder Wald hinein. Freut euch an dem beginnenden Grünen und Blühen! Die Sonne scheint jetzt schon kräftig – und mit dem zunehmenden Licht wachsen Hoffnung und Zuversicht.

Kann das Virus vielleicht auch eine Hilfe für die Menschen sein, obwohl es so vielen Sorgen bereitet und das Leben bedroht? Habt ihr schon einmal an einem Fluss, See oder Meer Fische gesehen, die plötzlich aus dem Wasser springen, um nach einem Insekt zu schnappen? Sie tun es, weil sie ahnen, dass über ihnen noch eine andere Welt vorhanden ist, die sie nährt. So können sich die Menschen jetzt wieder mehr darauf besinnen, was sie im Leben trägt und glücklich macht, auf dasjenige, was sie wirklich brauchen: Mehr Nähe zu ihren Mitmenschen, Zeit füreinander haben, sich gegenseitig Aufmerksamkeit schenken und miteinander reden, sich helfen und geben, dann beginnen auch wieder die Ideen zu sprudeln. Zum Beispiel fangen jetzt die Menschen schon an, auf ihren Balkonen gemeinsam zu singen. Die Menschen spüren wieder mehr die Kostbarkeit und die Schönheit des Lebens. Auch das gemeinsame Abendgebet bei Kerzenschein gibt Kraft und verbindet die Menschheit. Dann verschwinden auch wieder die Wolken der Angst, die sich wie eine umhüllende dunkle Krone um die Welt gelegt haben. Wenn die Herzen kräftig für- und miteinander schlagen, kann die Erde wieder eine Korona der umhüllenden, tragenden und alles durchdringenden Liebe bekommen, denn ohne die Liebe ist das Menschensein öde und leer. Vielleicht will uns das Coronavirus auch dieses lehren.