Im Mittelpunkt die Medienmündigkeit – Curriculum der Waldorfschulen ab der ersten Klasse

Petra Plützer

Medienmündigkeit ist heutzutage eins der wichtigsten pädagogischen Ziele. Schule im digitalen Zeitalter braucht ein Konzept – das sieht auch der DigitalPakt der Bundesregierung vor. »Es sind immer die pädagogischen Konzepte, die aus der Vielfalt an Angeboten gute Bildung machen«, heißt es dort in den Richtlinien. So ist die Vorlage eines Medienentwicklungsplanes die Grundvoraussetzung für jede Schule, die jetzt finanzielle Mittel aus diesem Topf beantragen möchte. Dies gab den Anlass für eine ausführliche Informationsveranstaltung für die Waldorfschulen in Baden-Württemberg – mit der neuen Medienbroschüre liegt solch ein grundsätzlicher Entwicklungsplan zur Orientierung jetzt vor – und das nicht nur für die Waldorfschulen. Denn er orientiert sich schlicht an der Entwicklung des Kindes.

»Da können wir als Waldorfpädagogen den Richtlinien des DigitalPaktes gut zustimmen – wir wollen, dass die Kinder und Jugendlichen auf die Anforderungen des Lebens gut vorbereitet sind«, unterstrich Prof. Dr. Edwin Hübner bei der Vorstellung des von seinem von Tessin-Lehrstuhl für Medienpädagogik an der Freien Hochschule Stuttgart erarbeiteten Konzeptes, das den Waldorfschulen jetzt eine fundierte Grundlage an die Hand geben möchte. »Wir müssen in der Waldorfpädagogik besonders intensiv darüber nachdenken, wie Unterricht gestaltet sein muss, dass er ein digitales Zeitalter gut ermöglichen kann«. Denn die Waldorfpädagogik orientiert sich strikt an der Entwicklung des Kindes. Das ist ihre Stärke und ihr »Alleinstellungsmerkmal«, wie Hübner betonte. Und das bedeutet: Ehe nach den technischen Voraussetzungen gefragt werden kann, muss der Blick auf die menschlichen gelenkt werden. Wann ist was für welches Alter geeignet? Die neue Medien-Broschüre geht dieser Frage intensiv und mit vielen konkreten Beispielen nach.

»Die Gefahr für junge Schüler ist es nicht, technisch überfordert zu werden, sondern seelisch«, betonte Hübner. Viele Studien kommen inzwischen längst zu dem Schluss: Die Grundlage jeder Medienkompetenz ist das sinnliche Erfahren der realen Welt. Erst, wenn die analogen Medien gut beherrscht werden, wenn die Kompetenzen in körperlicher Bewegungsfähigkeit und geistiger Kreativität gut geschult wurden, kann digitale Kompetenz sinnvoll aufsetzen. »Wenn junge Menschen die Schule verlassen, sollen sie alle Medien gut einsetzen können. Und sie sollen eine ethisch fundierte Urteilsfähigkeit ausgebildet haben«, unterstrich Hübner.

Ab der Mittelstufe sieht das neue Curriculum viel Freude am kreativen Umgang mit Technik vor – die Produktion von Radiofeatures oder von stop motion videos, ein Programmierpraktikum u.v.m..

Allerdings: Kein Tablet oder Handy ab der ersten Klasse – das ist die logische Schlussfolgerung. Die Fähigkeit, mit digitalen Techniken verstehend umzugehen, erlangen junge Menschen erst im Teenie-Alter. Was nicht bedeutet, dass man sich nicht auch schon früher miteinander über die Regeln der digitalen Welt unterhält. »Ich erkläre meinem Kind ja auch die Regeln des Straßenverkehrs«, schmunzelte Hübner. Und so empfiehlt das Medienkonzept für Waldorfschulen für die fünfte Klasse den sogenannten »Medienführerschein«, um die Untiefen des Internets deutlich zu machen. »Vor der Eröffnung der digitalen Möglichkeiten geht es um Schutz«, sagte Hübner.

Das Curriculum unterscheidet zwischen der sogenannten direkten und indirekten Medienpädagogik. Die Aufgabe der indirekten Medienpädagogik ist es, all die Fähigkeiten zu üben, die man für das Informationszeitalter dringend braucht, die man aber im direkten Umgang mit digitalen Medien nicht erwerben kann.

Die Broschüre »Medienpädagogik an Waldorfschulen« kann für fünf Euro beim Bund der Freien Waldorfschulen bestellt werden.