Neonikotinoide gefährden Bienen und andere Insekten

Mai 2015

Der flächendeckende Einsatz von Pflanzenschutzmitteln aus der Gruppe der Neonikotinoide schadet Honigbienen und wildlebenden Insekten. Zu diesem Schluss kommt ein internationales Team von Biologinnen und Biologen unter der Leitung des Berner Forschers Peter Neumann. Die Empfehlung: diese Mittel im Interesse einer nachhaltigen Landwirtschaft künftig restriktiver anzuwenden.

Der Einsatz von Neonikotinoiden schadet nicht nur Honigbienen, sondern auch wildlebenden Insekten wie dieser Hummel. © Dorothee Hoffmann

Systemische Pflanzenschutzmittel, sogenannte Neonikotinoide, werden weltweit in großem Ausmaß angewendet, um Nutzpflanzen vor Schädlingen zu schützen. 2012 hat die EU aufgrund möglicher Auswirkungen auf Honigbienen ein Moratorium erlassen, das die Anwendung dieser Substanzen einschränkt. Seither sind mehr als 300 wissenschaftliche Artikel zum Thema publiziert worden. Sie zeigen, dass der vorbeugende Neonikotinoid-Einsatz negative Auswirkungen auf zahlreiche Nützlinge haben. Sie können zum Beispiel zum verfrühten Tod der Königinnen bei Honigbienen und zu einer geringeren Fortpflanzungsrate bei Wildbienen führen.

»Es gibt klare Beweise, dass bereits geringste Mengen Neonikotinoide solche chronischen Effekte auf Nützlinge haben können«, sagt Peter Neumann, der Leiter der europaweiten Metastudie des European Academies Science Advisory Council (EASAC) über Neonikotinoide. Der EASAC ist die Dachorganisation der europäischen Wissenschaftsakademien. Die Befunde der Metastudie hat der Berner Forscher nun in der Fachzeitschrift »Nature« zusammengefasst.

Nicht nur Honigbienen betroffen

In den letzten Jahren hat vor allem der Rückgang der von Imkern gehaltenen Honigbienen viel Aufmerksamkeit erregt. Sie sind aber nicht alleine für die Bestäubung von Pflanzen zuständig. Viele Arten von wilden Bienen, Schwebfliegen und Schmetterlingen tragen ebenfalls maßgeblich zur Bestäubung bei. Darüber hinaus dezimieren Käfer, Spinnen und andere Räuber diverse Schädlinge; bestimmte Bodenorganismen sorgen derweil für fruchtbare Erde. Eine große Artenvielfalt ist für eine nachhaltige Landwirtschaft von zentraler Bedeutung. Der Einsatz der Pestizide gefährdet die Vielfalt dieser Nützlinge und somit auch die Effektivität ihrer Leistungen für die Natur.

Die hochsozialen und in großen Völkern lebenden Honigbienen können den Belastungen durch Pestizide deutlich besser standhalten als Hummeln oder einzeln lebende Tiere. Ergebnisse zu Auswirkungen auf Honigbienen lassen sich somit nicht einfach auf andere Dienstleister der Natur übertragen, so Neumann: »Es erscheint daher sinnvoll, künftig nicht nur die Effekte der Neonikotinoide auf Honigbienen zu berücksichtigen, sondern auch deren Auswirkungen auf andere Nützlinge.«

Neonikotinoid-Einsätze kritisch hinterfragen

Die Autorinnen und Autoren der EASAC-Studie plädieren indes nicht für ein Verbot bestimmter Subtanzen. Vielmehr soll der Einsatz von Neonikotinoiden unter Miteinbezug ökonomischer und ökologischer Aspekte für jede Nutzpflanze kritisch hinterfragt werden. Während beispielsweise für den Raps die Anwendung von Neonikotinoiden vermutlich auch künftig sinnvoll sei, zeigten Erfahrungen aus Italien, dass sie für den Mais nicht erforderlich seien. Peter Neumann: »Der breite vorbeugende Einsatz von Neonikotinoiden steht im Widerspruch zu den Grundsätzen einer zeitgemäßen Schädlingsbekämpfung, die den Einsatz von Pestiziden nur als letztes Mittel wählt – insbesondere wenn die Schädlinge nur selten auftreten.«

Quelle:

Peter Neumann, Academies review insecticide harm, Nature 520, 2015, DOI: 10.1038/520157a

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