Weniger Vernetzung, mehr Intelligenz

Die Wissenschaftler untersuchten die Gehirne von 259 Männern und Frauen mittels »Neurite Orientation Dispersion and Density Imaging«. Mit der Methode konnten sie in der Großhirnrinde die Menge an Zellfortsätzen, sogenannten Dendriten, messen, mit denen eine Nervenzelle Kontakt zu anderen Nervenzellen aufnimmt. Alle Probandinnen und Probanden absolvierten außerdem einen Intelligenztest. Dann setzten die Forscher die Daten in Beziehung zueinander und fanden heraus: Je intelligenter ein Mensch ist, desto weniger Dendriten besitzt er in der Großhirnrinde.

Anhand eines unabhängigen öffentlich zugänglichen Datensatzes, der im Human-Connectome-Projekt erhoben worden war, bestätigte das Team das Ergebnis. Der Zusammenhang zwischen Dendritenmenge und Intelligenz trat auch in dieser Stichprobe auf, die rund 500 Leute umfasste.

Zuvor widersprüchliche Ergebnisse lassen sich erklären

Mit den neuen Erkenntnissen lassen sich zuvor widersprüchliche Ergebnisse aus der Intelligenzforschung erklären. Diese hatten zum einen ergeben, dass intelligentere Menschen tendenziell größere Gehirne besitzen. »Man ging davon aus, dass größere Gehirne mehr Nervenzellen enthalten und somit eine höhere Rechenleistung erzielen könnten«, sagt Erhan Genç. Andere Studien ergaben allerdings, dass intelligentere Menschen, trotz ihrer vergleichsweise hohen Anzahl an Nervenzellen, weniger neuronale Aktivität beim Bearbeiten eines Intelligenztests zeigen als die Gehirne von weniger intelligenten Menschen.
Höhere Intelligenz spiegelt sich folglich in einer »schlanken, aber effizienten Vernetzung der Neurone«, resümiert Erhan Genç. »Dadurch gelingt es, eine hohe Denkleistung bei möglichst geringer neuronaler Aktivität zu erzielen«.

Originalveröffentlichung: Erhan Genç, Christoph Fraenz, Caroline Schlüter, Patrick Friedrich, Rüdiger Hossiep, Manuel C. Voelkle, Josef M. Ling, Onur Güntürkün, Rex E. Jung: Diffusion markers of dendritic density and arborization in gray matter predict differences in intelligence, in: Nature Communications, 2018, DOI: 10.1038/s41467-018-04268-8