Ausgabe 04/24

Hand in Hand. Elternengagement auf Landesebene

Angelika Lonnemann

Erziehungskunst | Es zeugt von Eurem hohen Engagement, wenn Ihr Euch an einem Samstagvormittag mit anderen Waldorfeltern aus der Region trefft. Warum macht Ihr das?

Simone Grimm | Diese Treffen sind menschlich und inhaltlich unglaublich bereichernd. Sie ermöglichen einen Austausch zwischen den verschiedenen Waldorfelterngruppen eines Bundeslandes. Hier erfährt man, wie andere Schulen sich in der Selbstverwaltung organisiert haben und kann Beispiele gelungener Initiativen mit in die eigenen Schulgemeinschaften zurückgetragen – zum Beispiel, dass es an einer Schule eine fest angestellte Person gibt, die die Putzaktionen der Elternschaft koordiniert oder dass es an einer anderen Schule eine Mutter als bezahlte Teilzeit-Kraft für Innovationen und Events gibt, die den zündenden Impuls für Zusammenkünfte oder Feste der Schulgemeinschaft setzt. An manchen Schulen funktioniert das Intranet hervorragend und wird von der Elternschaft ganz aktiv genutzt, andere Schulen greifen diese Impulse auf und setzen sie um.

EK | An welchen Projekten arbeitet Ihr aktuell?

Susanne Reinthal | Im Moment beschäftigt uns im LER BB die Frage, was Eltern dazu beitragen können, damit neue Pädagog:innen einen guten Kontakt zur Schulgemeinschaft und im Besonderen zur Elternschaft aufbauen können. Der Lehrer:innenmangel ist in aller Munde und manchmal verlassen neue beziehungsweise junge Lehrkräfte nach viel zu kurzer Zeit eine Schule wieder, weil sie sich überlastet, ausgelaugt oder nicht willkommen fühlen. Einer der Gründe, die angegeben werden, wenn auch nicht an erster Stelle, ist eine Elternschaft, die zu viel fordert.

EK | Wie sieht denn eine gelungene Zusammenarbeit zwischen Eltern und Lehrer:innen aus?

SG | Da gibt es ganz einfache, praktische Dinge, die man ändern kann. Zum Beispiel, dass Klassenlehrer:innnen nicht alle Elternabende selbst einberufen, sondern nur den ersten. Die an diesem Termin gewählten Elternvertreter:innen übernehmen dann in der Folge des Schuljahres. Sie berufen alle weiteren Elternabende ein und legen die Tagesordnungspunkte in enger Absprache mit der Lehrkraft fest. Die Elternschaft kann sich zu bestimmten Themen die Klassensprecher:innen dazu einladen oder bei Bedarf auch die Fachlehrer:innen. So steht es übrigens auch im Berliner Schulgesetz, das auch für Schulen in freier Trägerschaft gilt (§89). Sie sammeln die Fragen der Eltern im Vorfeld, was eine bunte Vielfalt an Themen ermöglicht und gleichzeitig die Lehrkraft entlastet. Natürlich soll und kann jedes Elternteil sich bei Bedarf direkt an die Lehrkraft wenden, aber viele Anliegen doppeln sich oder können von den Elternvertreter:innen bereits beantwortet werden.

EK | Soweit können Eltern also auf Klassenebene mitwirken. Wie engagiert Ihr Euch auf der Schulebene?

SG | Die Elternschaft jeder Klasse entsendet Vertreter:innen in den Elternrat der Schule. Wir vom LER BB geben den vertretenden Schulen der Region immer wieder Impulse, einen Elternrat zu gründen, falls dieser noch nicht im Schulalltag etabliert ist. Denn dort treffen sich die Elternvertreter:innen aller Klassen in regelmäßigen Abständen, zum Beispiel einmal im Monat. Informationen aus allen Gremien und Entwicklungsprozesse der Schulgemeinschaft werden hier geteilt, um dann wieder zurück in die Klassen getragen zu werden. Diese Transparenz begünstigt das wohlwollende Miteinander in der Erziehungspartnerschaft von Eltern und Schule. Außerdem können Eltern hier das Schulleben ihrer Kinder mitgestalten: Veranstaltungen organisieren, neue Kreise ins Leben rufen oder Fragen und Impulse an die Pädagogische Konferenz formulieren.
Natürlich können Eltern auch ehrenamtlich im Vorstand des Schulvereins aktiv oder in den Schulführungsgremien als beratendes Mitglied tätig sein. Nur durch eine rege Beteiligung der Eltern auf allen Ebenen gelingt eine enge Zusammenarbeit mit dem Kollegium und allen Organen der Schule. Wenn man eine Schule als Organismus betrachtet, könnte man sagen, dass sie lebendiger und beweglicher ist mit einer aktiven Elternschaft, die sich auf allen Ebenen verlässlich einbringt und gern gesehen ist.

EK | Und wie sieht das Engagement in der Region beziehungsweise im Bundesland aus?

SG | Aus dem Elternrat jeder Schule werden dann wiederum mindestens zwei Vertreter:innen in den Landeselternrat der Waldorfschulen entsandt. Die Delegierten werden jährlich gewählt, aber oft bleiben die Landeselternräte recht lange im Amt. Dann übernehmen andere den Staffelstab. Wichtig ist hier, dass das Wissen nicht verloren geht, beziehungsweise nicht an die einzelne Person gebunden ist, sondern an die Funktion, und dass der Elternrat der Schule dafür sorgt, dass es Nachfolgende gibt, die schon vor dem Weggang der Ausscheidenden eingearbeitet werden.

EK | Wo steht ihr im Moment und was plant ihr für die nächsten Monate?

SG | Im letzten Jahr haben wir die 90. Bundeselternratstagung (BERT) in Berlin ausgerichtet, dieses Jahr waren wir wieder als Besuchende dabei. Die Tagung fand in der Rudolf-Steiner-Schule in Dortmund statt und richtete sich an alle Eltern, Schüler:innen, Pädagoge:innen und Mitarbeitenden von Waldorfschulen – eine Zusammenkunft der großen Waldorfgemeinschaft aus Deutschland und unseren Nachbarländern.
Als Landeselternrat sind wir jetzt schon zum vierten Mal Teil einer sehr schönen Veranstaltung, die das Seminar für Waldorfpädagogik für angehende Waldorflehrer:innen in Berlin anbietet: eine Begegnung von Studierenden und Eltern. Wir beantworten Fragen, spiegeln die Zusammenarbeit im Schulleben aus unserer Perspektive und können hoffentlich die ein oder andere Befürchtung der Berufsanfänger:innen zerstreuen, die es in Sachen «anstrengende Eltern» gibt.

SR | Im April wird sich der LER BB dann zum ersten Mal zu einer Klausurtagung zurückziehen zum Thema «Waldorfeltern sein». Wir fragen uns, was genau es heute bedeutet, Eltern zu sein an der Waldorfschule. Wie kann man neue Eltern und besonders Eltern ohne eigenen Waldorf-Hintergrund noch besser darauf vorbereiten, Teil einer aktiven Schulgemeinschaft zu werden und wie kann man Elternengagement so gestalten, dass es nicht belastend, sondern bereichernd ist? Vielleicht entsteht dabei auch eine «Anleitung zum gelungenen Elternabend» als Flyer, den man dann neuen Eltern an die Hand geben kann. Ähnlich wie zum Beispiel unsere Broschüre, die wir zum Umgang mit Konflikten 2017 erarbeitet und herausgegeben haben.

Die Fragen stellte Angelika Lonnemann.

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