Ausgabe 05/24

Ich habe keine Antwort – aber ich bewundere die Frage

Matthias Jeuken

Die Autor:innen loten das Spektrum des Fragen-Könnens vom frühkindlichen «Was ist das?» über die spätestens mit der Pubertät herausdrängenden Frage «Wer bin ich?» bis zur Parzival-Frage «Wie geht es Dir, wie kann ich Dir helfen?» gründlich aus.

M. Wais bewegt die unterschiedlichen Qualitäten der Fragen im menschlichen Lebenslauf in einem eindrucksvollen Dialog. Kleinfercher berührt die Möglichkeit des Etablierens einer Kultur des Fragens im pädagogischen Kontext. Wie kann es gelingen, mit den latenten, oft unbewusst und in der Regel unausgesprochenen Fragen der Jugendlichen an die Erwachsenen umzugehen. In Schneiders aphoristischen «Splittern», wie er seinen Beitrag überschreibt, wird deutlich, wie schwer es sein kann, seine Fragen zu formulieren. Es scheint, als wenn die richtige Frage uns finden müsse – wenn wir bereit sind. Simon thematisiert die Bedeutung von Fragen für die Selbstentwicklung. Wie gelingt es, die richtige Frage zu finden (oder besser zu entwickeln)? Was ist meine Frage? Und gibt es zu biographischen Fragen eigentlich eine Antwort? Oder ist die Kunst, mit den Fragen oder den vorläufigen Antworten leben zu können? Ausgehend von der Frage «Adam, wo ist Du?» erschließt Kasanetz die ontologische Dimension des Fragens anhand der Fragen, die in der Bibel formuliert sind. Dieser Blick wird im Aufsatz von Gödecke noch einmal bis an die Lebensschwelle geweitet. Sie fragt beispielsweise, ob wir auch den Tod als Fragensteller verstehen können.

Beim Lesen der einzelnen Beiträge wird unmittelbar deutlich, dass das Fragen in vielen Fällen auch ein Sich-in-Frage stellen ist, die Möglichkeit enthält, sich selbst neu zu verorten und in Bewegung zu bringen. So kann das vorgelegte Werk mit seinem Ringen um eine Kultur des Fragens Anlass bieten zu einem wertvollen Innehalten. Das scheint nötig in der heutigen Zeit, die, wie ein Gesprächspartner im Aufsatz von Wais ausführt, zu wenige Fragen und zu viele Antworten bereithält.

Susanne Gödecke, Mariano Kasanetz, Philipp Kleinfercher, Wolfgang Chr. Schneider, Donata Simon, Mathias Wais: Wert und Kunst des Fragens. Sechs Sensibilisierungen, 192 Seiten, Gesundheitspflege initiativ, 2024, 20 Euro.
 

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