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Kleinschulen und Waldorfpädagogik

Stefan Grosse

Die Gründungsberatung des Bundes der Freien Waldorfschulen (BdFWS) ist immer häufiger mit Initiativen befasst, die Schulgründungen in strukturschwachen Räumen anstreben.

Früher bestand Einigkeit darüber, dass die – im Verhältnis zum Bedarf – wenigen Waldorflehrer:innen, die die Ausbildungsstätten verließen, möglichst „ressourcenoptimiert“ vor großen Klassen einzusetzen seien. Des Weiteren war ein Hinderungsgrund für die Gründung von Kleinschulen, dass ein zwölfjähriger Bildungsgang schwer darstellbar war. Dieser wird aber von den Genehmigungsbehörden gefordert und begründete in einigen Bundesländern auch die Bezuschussung auf gymnasialem Niveau für die entsprechenden Altersstufen. Dies durfte durch alternative Präzedenzen nicht gefährdet werden.

Gleichwohl blieb die Frage, warum strukturschwache Regionen nicht in den Genuss von Waldorfpädagogik kommen sollten. Um den sich abzeichnenden Paradigmenwechsel kompetent zu begleiten, sah der BdFWS die Notwendigkeit, fundierte Kenntnisse der bereits existierenden „Kleinschul-Szene“ zu sammeln. Zu diesem Zweck wurden die meisten Kleinschulen im BdFWS durch erfahrene Gründungsberatende besucht und nach Schulkonzept und best practices befragt.

Die pädagogischen Herausforderungen liegen auf der Hand: Große Waldorfschulen haben jahrgangshomogene Klassen. Diese sind in Kleinschulen wegen zu geringer Klassenstärken selten realisierbar, was zur Alternative der jahrgangsübergreifenden Lerngruppen führt. Dann aber treten Fragestellungen wie diese auf: Will man vor einer Kindergruppe die Schöpfungsgeschichte ausbreiten, um kurz darauf die Götterdämmerung darzustellen? Damit ist in nuce eine der wesentlichen pädagogischen Aufgaben umrissen.

Kleine Sozialverbände haben ihren Charme – und ihre Probleme. Sie sind persönlicher, wärmer, näher, aber: Dominanzen und Einseitigkeiten fallen stark ins Gewicht, Ausfälle abzufedern, wird schwer. Diese Situation fordert eigene Sozialtechniken.

Hinzu kommt der betriebswirtschaftliche Aspekt: Ab welcher Klassenstärke und mit welchem Betreuungsschlüssel steht eine Kleinschule solide da? Die Frage des geschlossenen Bildungsgangs ist zu beantworten, Kooperationen sind zu prüfen.

Die Projektgruppe hat ihre Erkenntnisse in der Broschüre „Pädagogische Gesichtspunkte zur Gestaltung kleiner Waldorfschulen mit Doppelklassen“ zusammengefasst. Renata Bühring beschreibt in ihrem Buch „Jahrgangsübergreifender Unterricht an Waldorfschulen“ die konkrete Umsetzung an der Waldorfschule Seewalde.

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