Lebensstil und Gesundheit von Kindern

Christoph Hueck

Beeinflusst der Lebensstil einer Familie den Gesundheitszustand ihrer Kinder? Dieser Frage gingen Thomas Marti und Peter Heusser von der Uni Bern in einer wissenschaftlichen Studie nach. Sie befragten die Eltern von rund 240 Kindern zwischen 4 und 8 Jahren aus Bern und Umgebung und verglichen die Antworten für 168 Kinder, die öffentliche Kindergärten oder Regelschulen besuchen, mit 69 Waldorfkindergarten- oder Waldorfschulkindern. In ihrem sozialen und ökonomischen Lebensstandard waren beide Gruppen recht ähnlich und auch mit den von ihnen gewählten Schulen im Allgemeinen sehr zufrieden.

Deutlich unterscheiden sie sich in folgenden Aspekten: rund 70% der Waldorfeltern orientieren sich an anthroposophischen oder anderen spirituellen Inhalten, bei den Regelschuleltern tun dies nur etwa 25%. Medienkonsum: 65% der Waldorfkinder sehen gar nicht fern, 85% spielen nicht am Computer (im Gegensatz zu 15% bzw. 50% der Regelschulkinder). Das Erzählen von Geschichten, das Musizieren und Rituale wie ein Gebet am Abend werden bei den Waldorffamilien häufiger praktiziert als bei den Regelschuleltern.

Interessant ist, dass alle Waldorfeltern die Bildung der Persönlichkeit als oberstes Ziel der Schule angeben, während dies nur rund zwei Drittel der Regelschuleltern tun, die übrigen halten die Existenzsicherung und den sozialen Aufstieg für wichtiger.

Weiterhin werden die Waldorfkinder häufiger biologisch ernährt, deutlich seltener geimpft und als Babys länger gestillt. Auch erhalten sie deutlich seltener Antibiotika und fiebersenkende Mittel. Einige dieser Faktoren spielen bekanntermaßen eine Rolle im Zusammenhang mit dem Auftreten von Allergien, und so ergab sich einmal mehr, dass die Waldorfkinder deutlich seltener unter Allergien leiden (2% an Heuschnupfen gegenüber 18% der Regelschulkinder, 8% gegenüber 16% an Neurodermitis). Schließlich ist eines der auffälligsten Ergebnisse der Studie, dass die Waldorf- und Regelschulkinder zwar ähnlich häufig leicht erkältet sind (rund 80% 1-3mal im Jahr), die letzteren aber signifikant öfter (95% bis zu 3mal jährlich) an Angina oder Mittelohrentzündung leiden als Waldorfkinder (10%)! In geringem Umfang leiden Regelschulkinder auch häufiger an Nervosität und Konzentrationsstörungen, während bei den Waldorfkindern etwas häufiger (10%) eine Diagnose für ADS vorliegt als bei den Regelschulkindern (7%).

Die Autoren diskutieren ihre Ergebnisse mit wissenschaftlicher Vorsicht und im Kontext anderer Studien und gelangen schließlich zu der Hypothese, dass es in erster Linie die weltanschauliche Orientierung ist, die den Lebensstil motiviert; dieser bedingt gesundheits­fördernde Maßnahmen, und diese begünstigen die Gesundheit bzw. verhindern Krankheit. Insgesamt ein weiterer fundierter Baustein in der Argumentation, dass Waldorfpädagogik – hier: ihr familiärer Hintergrund – gesundheitsfördernd wirkt.

Thomas Marti, Peter Heusser: Gesundheit vier- bis achtjähriger Kinder vor dem Hintergrund des familiären Lebensstils. Eine retrospektive Querschnittstudie an Kindern aus Schulen in der Stadt Bern und Umgebung. 138 S., Euro 33,10. Peter Lang Verlag, Bern 2009

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