Ausgabe 04/24

Mitwirkung wirkt. Schulgeländegestaltung in der Waldorfschule Neuwied

Heike Thütt

An den Aktionstagen der Waldorfschule in Neuwied kommen ganze Familien mit Gartengeräten, Werkzeugkisten und Picknickkörben voller Freude und Tatendrang zur Schule. Das bunte Treiben in den sechs Schulgebäuden und auf dem knapp vier Hektar großen Schulgelände bietet viel Abwechslung. Man trifft Gleichgesinnte, lernt Eltern aus der eigenen und aus anderen Klassen kennen, kann Fragen stellen und sich austauschen und man erlebt die eigenen Kinder zusammen mit ihren Freund:innen.

Die Eltern pflanzen Bäume, bauen Bänke und putzen die Klassenräume, Holz bekommt einen neuen Anstrich, Natursteinmauern mit Keramikelementen entstehen, man hört Sägen und Motorheckenscheren und zwischendurch trifft man sich zum gemeinsamen Essen. Einige bleiben sitzen und plaudern, anstatt weiterzuarbeiten, das gehört dazu. Die Kinder spielen, schleppen Äste, ziehen Bollerwagen und dürfen auch mal die Bohrmaschine ausprobieren.

Die Mitarbeit der Eltern ist an der Waldorfschule willkommen. Dazu wollen wir immer wieder informieren, motivieren, anregen und ermuntern, sei es bei Bau- und Gartentagen, bei Festen oder im Elternrat, beim Nähen und Filzen, beim Bewirten, für die Klassenkasse oder bei den Weihnachtsspielen. Wir bringen uns individuell und unterschiedlich stark ein, tun das, was uns Freude macht und was wir selbst als notwendig erkennen. Wenn es gelingt, dass Eltern sich mit Kopf, Herz und Hand angesprochen fühlen, wachsen sie leicht in die Schulgemeinschaft hinein und die Kinder erleben die Erwachsenen in ihrer arbeitsbereiten Haltung des gemeinsamen Wirkens, das prägt ihr Verhalten für das soziale Miteinander.

Eltern als Potenzial einer Schule


Einer Waldorfschule kann man anmerken, wenn sie Eltern einbezieht und erkennt, dass die unterschiedlichen Interessen, Berufe, Talente und Fähigkeiten der Eltern alle bereichern. Die Eltern haben die Waldorfschule als Schulform und Entwicklungsort für ihre Kinder ausgesucht. Damit ist ein Potenzial vorhanden, auf dem die Schule aufbauen kann.

Wir alle wissen, dass die verfügbare Zeit nicht unerschöpflich ist, und haben Verständnis für Eltern, die sich nicht so stark engagieren können. Manche haben Berufe, in denen sie mehr als 40 Stunden arbeiten, manche haben Kinder, die besonders viel Aufmerksamkeit brauchen oder haben Angehörige, die sie pflegen. Es gibt Alleinerziehende und Menschen, die sich nebenbei weiterbilden, wir alle haben Freund:innenkreise und Hobbys, engagieren uns in Vereinen und kümmern uns um Haushalt, Tiere und Garten. Ich staune immer wieder, dass trotzdem so viele Eltern Zeit finden, die Waldorfschule zu erhalten und weiterzuentwickeln.

Was wahrgenommen wird, wirkt. So spüren wir auch, dass die Umgebung auf uns wirkt und dass ansprechend gestaltete Räume mit lasierten Wänden und Holzmöbeln eine positive Wirkung auf die Kinder haben. Genauso spüren wir, dass ein Schulgelände mit blühenden Hecken und Beeten allen gut tut, die sich dort aufhalten. Wir haben unsere Stimmung in unser fertiges Werk und in das Gelände hineingetragen.

Engagement für die Schule ist Engagement für das eigene Kind


Für die Eltern ist es ein bereicherndes Gefühl, eine Bank zu bauen, auf der später die Kinder sitzen, einen Baum zu pflanzen, der natürlichen Schatten spendet oder ein Beet zu pflegen, an dessen Anblick sich alle erfreuen. Die Eltern schenken der Schule und damit ihren Kindern ihre Zeit und Energie, das nötige Geld für Pflanzen und Baumaterial wird gespendet und auf Basaren erwirtschaftet.

In Neuwied wurden für das Spielgelände etliche Robinienstämme herbeigeschafft und es entstanden eine acht Meter lange Hängebrücke und viele Spielstätten zum Durchkriechen, Klettern und Balancieren. Die Eltern erinnern sich gerne an ihren kühnen Einsatz, den sich einige vorher gar nicht zugetraut hatten. Weil große Projekte nur mit vielen Menschen zu schaffen sind, können Eltern hierbei echte Zusammenarbeit erleben.

Für das Spielgelände benötigten wir fünf intensive Neun-Stunden-Arbeitstage, zur Stärkung gab es den ganzen Tag über ein Buffet und als Anlaufstelle war zentral ein Infostand mit Plänen eingerichtet. Zuvor besuchten die Projektleitenden die Elternabende der Unterstufe, wo sie über das Projekt informierten und sich die Liste der Helfenden füllten. Es war ein Projekt des eigens zur Gestaltung des Schulgeländes gegründeten Kreises, genannt Schulland-Initiative, der eigenverantwortlich alle Aktivitäten und Veränderungen auf dem Schulgelände koordiniert und mit allen Betroffenen abspricht. In diesem Kreis arbeiten Eltern und Lehrkräfte Hand in Hand zusammen. Die Projekte werden vorab so gut es geht durchgeplant, um einen reibungslosen Ablauf des Aktionstages zu gewährleisten. Wie man sich vorstellen kann, gab es immer wieder Überraschungen, auf die aber flexibel und wohlwollend reagiert wurde.

Impulse für die Landschaftsgestaltung haben wir über angeleitete Wahrnehmungsübungen gesucht. Uns war die Verbindung zwischen den einzelnen Schulgebäuden und dem Innen und Außen wichtig. Verbindung und Zusammenhalt in der Schulgemeinschaft spiegeln sich bekanntlich mit dem Gelände als Ort der Begegnung von Mensch zu Mensch.

Neues ausprobieren in ungewohnten Arbeitsfeldern


Die meisten Waldorfschulen organisieren sich in Arbeitskreisen und Delegationen, um alles Notwendige sortiert nach Themenbereichen auf mehrere Menschen aufzuteilen. Sich einer selbstgewählten Aufgabe widmen zu dürfen, kann ungeahnte Kräfte hervorbringen, sodass man sich manchmal wundert, wie einem dies oder jenes gelingen konnte.

Das Miteinander wird erleichtert, wenn wir Eltern uns in der Gemeinschaft gut aufgehoben und informiert fühlen. Dazu ist es hilfreich, wenn Aufgabenteilung und Entscheidungswege schriftlich festgehalten und für alle nachvollziehbar sind. Bei uns heißt diese Schrift Organisationsstruktur, sie ist Bestandteil der Satzung und soll regelmäßig überprüft und weiterentwickelt werden. Arbeitskreise geben sich selbst eine Handlungsleitlinie oder Geschäftsordnung.

Optimal wäre ein Schulverzeichnis mit den Namen der Aktiven, um darzustellen, wie die Kreise besetzt sind und wer wofür zuständig ist. Dieses scheitert manchmal an strengen Datenschützer:innen.

Je gleichmäßiger sich die Verantwortung verteilt und je mehr sich die Kreise mit ihren Ideen einbringen dürfen, desto besser. Wenn sich Mitwirkung und Mitsprache die Waage halten, dann entsteht Elternmitwirkung, denn alles, was die Eltern für die von ihnen gewählte und gewollte Schule leisten, hat Wirkung.

Mit der Zeit haben wir als Mitglieder der Schulland-Initiative die Interessen und Vorlieben der Eltern kennengelernt und dadurch gelingt es immer besser, ihnen mit der passenden Aufgabe entgegenzukommen. Wir wissen jetzt, wer einen Freischneider hat, wer gut mauern oder schreinern kann, wer gerne das Rosenbeet pflegt oder Apfelbäume schneidet.

So machten wir unsere Erfahrungen und konnte den Eltern einiges zutrauen, gemeinsam haben wir auf diese Weise viel geleistet und bewirkt. Wenn die Möglichkeit zur Elternmitwirkung nicht genommen wird, dann entfalten sich Initiativkräfte von alleine.

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