Jackson ist elf Jahre alt und rennt mit seiner kleinen Schwester jeden Morgen zwei Stunden im Laufschritt durch die kenianische Savanne, bis sie in an den Schulbaracken ankommen. Es droht Gefahr von Elefantenherden und anderen wilden Tieren. Jedes Kind hält in der einen Hand einen Stock zur Selbstverteidigung, in der anderen einen Plastikkanister mit Trinkwasser für den Tag. Oder Carlito aus Argentinien, auch elf Jahre alt: Er reitet morgens ganze 18 Kilometer hoch zu Ross über die Bergrücken Patagoniens, hinter ihm im Sattel sitzt seine kleine Schwester samt Schulranzen und wippendem Pferdeschwanz. Weit und breit ist keine Menschenseele, Carlito trägt allein die Verantwortung für Micaela und sich. Samuel wiederum ist schon 13 Jahre alt und lebt in Indien. Er leidet an den Folgen einer Kinderlähmung und kann nicht laufen. Tag für Tag zerren und schieben ihn seine beiden kleinen Brüder eine Stunde lang im selbst zusammengeflickten Rollstuhl über unbefestigte Wege und durch kleine Wasserläufe zum Unterricht. Und dann ist da noch die zwölfjährige Zahira aus Marokko mit ihren beiden Schulfreundinnen. Ihr Weg ins Internat führt mühsame 22 Kilometer über schmale, steinige Trampelpfade im Atlas-Gebirge. Mindestens vier Stunden benötigen die Mädchen dafür jeden Montag.
Plisson erzählt die vier Schulwege spielfilmmäßig ineinander verschachtelt, Musik unterstreicht die Spannung und die Gefühle. Mit Zuversicht, Kraft und Geschick stellen sich die Kinder den Gefahren und Herausforderungen, die unterwegs lauern. Allen ist bewusst, dass Bildung ihren Weg aus der Armut in ein selbstbestimmtes Leben bedeutet. Am Ende verraten die Protagonist:innen noch in kurzen, herzerwärmenden Interviews, was sie einmal werden wollen: Ärztin, Arzt, Pilot, Farmer.
Die Vergegenwärtigung der Lebensrealität anderswo kann das eigene Leben in neuem Licht erscheinen lassen. So schrieb eine Siebtklässerin nach der Vorführung des Films: «Im Film wird der Wille gezeigt, mit dem die Kinder zur Schule gehen. Mich hat das sehr fasziniert. Mein Schulweg ist, wer hätte das gedacht, kurz und völlig ohne Gefahren, außer: in einen Kaugummi zu treten. Einmal in den Bus gesetzt und nach zehn Haltestellen bin ich auch schon da.» Auf dem Weg zur Schule (Originaltitel: Sur le Chemin de l’Ecole, F, 2012, 75 Minuten) ist auf DVD und im Streaming erhältlich. Sehen Sie den Film unbedingt in der Originalfassung mit deutschen Untertiteln an! Ich empfehle ihn ab zwölf Jahren.
Bitte beachten Sie die Kurze Anleitung für einen gelungenen Filmnachmittag.
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