Bienen im Schulgarten

Barbara Leineweber

Organischer Kaugummi 

Bei der ersten Zusammenkunft im Gartenbauraum der Schule tauschten wir Wissen und Erfahrungen aus. Es lagen die verschiedensten Bücher vor, der Begriff »Beute« (Bienenwohnung) wurde erläutert, wir sprachen über Bienenhaltung und verschiedene Beuten-Systeme, anfallende Arbeiten im Bienenjahr, verschiedene Vorgehensweisen der Imker, den Aufbau eines Bienenvolkes und seine Entwicklung im Jahreslauf. Bei der anschließenden Honigverkostung konnte sich jeder überzeugen, wie vielfältig die Honigsorten sind, wie unterschiedlich in Geschmack und Konsistenz, wie anders, je nach Tracht und Jahreszeit.

Beim nächsten Treffen besuchten wir das Bienenhaus eines imkernden Vaters. Hier wurde das Imkerwerkzeug vorgestellt und dessen Handhabung erläutert. Dann warfen wir einen Blick auf verschiedene Waben (Drohnenbauwaben, Honigwaben, Futter- und Brutwaben), der Smoker wurde gefüllt und gezündet und es ging an die Völker. Eines musste umgesiedelt werden, ein anderes wurde auf die Entwicklung der letzten Tage hin durchgesehen.

Beim Abkratzen von Wildbau oberhalb der Bruträhmchen quoll Honig aus den Waben und schon konnten alle ein »organisches Kaugummi«, Bienenwachs mit Honig, kosten. Vor allem die Kinder waren angetan von der duftenden Süße. Im Laufe des Jahres stießen immer mehr interessierte Menschen zu der Gruppe. Ich absolvierte einen Imkerkurs für wesensgemäße Bienenhaltung bei den Demeter-Imkern in Nordrhein-Westfalen. In der Elterngruppe diskutierten wir die unterschiedlichen Vorgehensweisen in der Imkerei: die konventionelle, die ökologische und die wesensgemäße Bienenhaltung. Sie unterscheiden sich in der Art der Bienenhaltung, der Wahl der Behausungen, der Beutenanstriche, der Behandlung der Waben, den Zuchtrichtlinien, der Honiggewinnung und der Verarbeitung der Bienenerzeugnisse.

Uns wurde schnell klar, dass es unser gemeinsames Anliegen ist, die Bienen artgerecht und wesensgemäß zu halten. Die Bienenbehausungen sind aus natürlichen Materialien wie Holz, Stroh oder Kuhmist bei Körben. Sie besitzen einen einzigen Brutraum, so dass das Bienenvolk, das in einer geschlossenen Traube lebt, bei der Völkerdurchschau nicht auseinander gerissen werden muss. Den Königinnen werden nicht die Flügel beschnitten, so dass sie sich über den Schwarmtrieb natürlich vermehren können. Die Zutaten für das Winterfutter, sofern die Bienen nicht auf ihrem eigenen Honig überwintern, sollten aus biologisch-dynamischem Anbau stammen. Wir arbeiten nach den Richtlinien des Demeter-Bundes, dem ich als Hausgärtnerin angeschlossen bin, und eine Vision ist die Einrichtung einer Imkergemeinschaft, die den schuleigenen Honig unter dem Demeter-Label vermarkten kann.

Salben für den Weihnachtsbasar

Unser Anliegen ist es, Kindern, Eltern und allen interessierten Menschen die faszinierende Welt der Honig­biene zu eröffnen. Die Biene als staatenbildendes Insekt, ihr Leben im Dunkel des Bienenstocks,  ihre Arbeitsteilung, ihre Entwicklung von der Ammen- und Putzbiene zur Wächter- und Sammelbiene; überhaupt, das Zusammenleben von Königin, Arbeiterinnen und Drohnen – welch spannendes Mit- und Füreinander begegnet uns da.

Nachdem wir uns auf den Weg gemacht hatten, kamen immer mehr Anregungen auf uns zu. Der Besuch eines Kurses in Apitherapie war die Grundlage für die selbst hergestellten Salben und Cremes auf Honig- und Bienenwachsbasis, die wir auf dem Weihnachtsbasar anbieten konnten.

Wir besuchten Korbflechtkurse, Demeter-Imker-Treffen und Honigverkostungen und zogen in der Weihnachtszeit eigene Kerzen. Wissenswertes erfuhren wir auch von »Mellifera« und »De Immen«, den beiden bundesweiten Vereinen, die sich für die wesensgemäße Bienenhaltung, Naturschutz und blühende Landschaften einsetzen. Bei »Mellifera« sind wir im »Netzwerk Bienen machen Schule« vertreten und die »De Immen Regionalgruppe NRW« ist unser hiesiger Imkerverein, dem mehrere unserer Eltern angehören. Beide Vereine setzen sich für einen verantwortungsvollen Umgang mit der Honigbiene ein, deren Lebensraum durch Pestizide und Insektizide in der Landwirtschaft stark bedroht ist.

Unsere Welt braucht die blütenbestäubenden Insekten und vor allem die Honigbiene, die an die 80 Prozent der Bestäubungsleistung übernimmt. Wir müssen uns für die Bienenpflege einsetzen, damit dieses für den Menschen so lebenswichtige Insekt Überlebenschancen hat.

Pädagogische Aspekte

Für das Schulleben ist die Bienenhaltung eine große Bereicherung. Auf dem Sommerfest haben wir mit den Kindern Honig geschleudert und verkauft. Dazu gab es einen Informationsstand, Saatgut für blühende Landschaften, ausgestellte Imkerwerkzeuge, Beuten und viele anregende Gespräche. Beim Adventsbasar verkauften wir dann die Cremes und Salben, drehten Kerzen und boten Bienenpatenschaften an. Die Gruppe kann von dem Erlös dieser Aktionen jetzt das erste Bienenvolk erwerben und im Frühjahr im Schulgarten aufstellen. Auch können wir den Klassen in der Tierkunde-Epoche einen Besuch beim Bienenvolk ermöglichen, sie werden das Flugloch beobachten und Bienenwachs kneten. Viele Kinder wachsen heute ohne Tiere auf und ohne dass sie die Naturvorgänge je kennenlernen. Elementare Lebenszusammenhänge sind verloren gegangen. Die Waldorfschule versucht durch den Gartenbauunterricht und die Tier- und Pflanzenkundeepochen dem entgegenzuwirken. Viele Schulen halten schon Hühner, Schafe, Ziegen oder eben auch Bienen im Schulgarten und ermöglichen so den Kindern unschätzbare Erfahrungen. Schüler, die sich freiwillig oder im Gartenbauunterricht an der Haltung und Pflege der Bienen durch das Jahr hindurch beteiligen, übernehmen Verantwortung und sind fasziniert vom Leben im Bienenstock.

Wenn es uns gelingt, durch die Bienenhaltung und den aktiven Umgang der Kinder mit den Bienen, den Schülern den Gedanken des sozialen Miteinanders (wie im Bienenvolk) und des Umweltschutzes (durch menschliches Handeln) näher zu bringen, so haben wir ein Stückchen von unserer Aufgabe erreicht, den Lebensorganismus Erde für nachfolgende Generationen zu pflegen.

Zur Autorin: Barbara Leineweber ist Waldorferzieherin, Dipl.-Pädagogin und Imkerin nach Demeter-Richtlinien. Sie arbeitet in Gladbeck, wo sie seit 16 Jahren im Waldorfkindergarten tätig ist. Zuerst acht Jahre als Spielgruppenleiterin, nun im achten Jahr als Erzieherin. Sie hat vier Kinder zwischen 13 und 27 Jahren.


Mensch und Biene leben in gegenseitiger Abhängigkeit

Die vor 30 Jahren zu Forschungszwecken importierte Varroamilbe führt inzwischen zu einem grassierenden Bienensterben. Deren Ausbreitung versucht der Imker durch den Einsatz natürlicher organischer Säuren einzudämmen, um vor allem die noch nicht geschlüpfte Brut zu schützen. Der Dokumentarfilmer Taggart Siegel hat mit seinem Film »Queen of the Sun« auf die »global bee crisis« aufmerksam gemacht. Bienen werden von kommerziellen Großimkern ausgebeutet. Monokulturen nehmen den Landbienen wertvolle Tracht, sie verhungern, während in den Städten ein reichhaltiges Pollen- und Nektarangebot durch die zahlreichen Grünflächen, Alleen, brachliegende Gelände und Stadtgärten zur Verfügung steht.

Der Pestizideinsatz verursacht Gedächnisverlust bei Bienen, so dass sie die Orientierung verlieren. Die Bienen fliegen morgens aus, finden aber nach dem Sammeln nicht mehr in ihren Stock zurück und sterben. – Wenn die Biene stirbt, stirbt auch der Mensch. – Ohne die Honigbiene, die 80 Prozent der Bestäubung unserer heimischen Obstbäume übernimmt, würden wir verheerende Ernteverluste verzeichnen. Inzwischen gibt es zahlreiche Initiativen, die helfen: Das »Netzwerk Blühende Landschaften« oder »Blühendes Band durchs Westfalenland«. Sie klären auf, laden zu Vorträgen ein oder stellen genfreies Saatgut zur Begrünung zur Verfügung. Und wenn es der Balkonkasten ist, in den blühendes Grün gesät wird: Wir sichern die Zukunft unserer Kinder, wenn wir den Bienen helfen!