Zu diesem Anlass erscheinen einige Bücher, die den Anfang und die weiteren Entwicklungen vergegenwärtigen. Das »Gründerbuch« ist eines davon. In einer ausführlichen Einleitung wird geschildert, wie sich die Gründung entwickelte. Dann folgen 48 Biografien der damals geweihten Priester und Priesterinnen. Es gibt einen sehr informativen Anhang, z.B. zu Gemeinden und Arbeitsorten der Gründer, Namen der bis zum Verbot 1941 Geweihten, Buchveröffentlichungen der Gründer, orientierende Texte aus der Gründungszeit und eine Chronik der Ereignisse.
Gegenüber der ersten Ausgabe von 1992 fällt auf, dass der Text weitgehend wörtlich gleich geblieben ist. Das mag heißen, dass schon damals sorgfältig gearbeitet wurde, und vermutlich war es nicht einfach, dazu noch viel Neues beizutragen. Was aber geändert oder auch erweitert wurde, ist essentiell und bis ins Detail fein formuliert. So findet sich eine deutlich erweiterte Sicht auf Rudolf Meyer, neu und anders angeschaut werden Gottfried Husemann und Hermann Heisler, und der Blick auf die drei Frauen im Gründerkreis fällt differenzierter und würdigender aus. Sie hatten ja über die besondere Herausforderung hinaus, welche die Gründung für alle bedeutete, noch eine besondere Aufgabe, denn sie mussten – und konnten – das Priestersein der Frau fast neu erfinden, in einer männlich dominierten Umgebung auch im eigenen Kreis.
Die Porträts, welche die Biografien jeweils eröffnen, sind oftmals charakteristischer als im ersten Buch, sodass ich mich kaum entscheiden kann: vermisse ich das unscharf-jugendlich fragende Antlitz des Eduard Lenz im ersten Buch mehr, das dem Bild eines glatt frisierten, gefasst blickenden jungen Mannes gewichen ist, oder freue ich mich mehr über den Blick auf einem früher nicht enthaltenen Bild von Rudolf Frieling, aus dem nun Wärme und Ermutigung spricht? Alle Bilder bieten eine deutlich bessere Qualität, und viele besonders informative sind hinzugekommen. Die Handschriften der Memoranden, in denen die Gründer ihren Willen und ihre je eigenen Impulse schriftlich fassten, sind nun vollständig wiedergegeben, und auch das stärkt den Eindruck, den dieses Buch bei aller Sorgfalt im Detail vermittelt: hier kamen sehr charakteristische, unterschiedliche und im Innersten motivierte Persönlichkeiten zusammen, ein einmaliger Kreis für eine besondere Tat, die nur in diesem Moment so möglich war.
Weitere Bucherscheinungen sind zum 100. Geburtstag der Christengemeinschaft geplant bzw. bereits erschienen: eine Darstellung der Gründung der Christengemeinschaft von Wolfgang Gädeke, eine Studie über die Christengemeinschaft im Nationalsozialismus und später eine allgemeine Geschichte der Christengemeinschaft von Frank Hörtreiter – sodass hoffentlich der Blick in die Vergangenheit für die Zukunft fruchtbar werden kann.
Rudolf F. Gädeke: Die Gründer der Christengemeinschaft. Ein Schicksalsnetz, geb., 624 S., EUR 40,–. Verlag Freies Geistesleben und Urachhaus, Stuttgart 2021.
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