In Bewegung

Die Zeit ist reif

Daniela von Pfuhlstein
Daniela von Pfuhlstein

Den Unterricht vorbereiten und durchführen, auf die individuellen Bedürfnisse der Schüler:innen eingehen, für die Anliegen der Eltern ein offenes Ohr haben, aktiv in Gremien mitarbeiten, an den Konferenzen teilnehmen. Neben der rein pädagogischen Arbeit haben Waldorflehrer:innen viele Tätigkeitsfelder zu beackern. Computerprogramme können ihnen den Arbeitsalltag erleichtern.

Ulrich Großmann hat mit Waldorf365 eine solche Software erstellt. Als Oberstufenschüler der Freien Waldorfschule Pforzheim sah er 2002 mit Erstaunen die Stecktafel im Lehrer:innenzimmer. Zu dieser Zeit hatte er bereits viel Programmiererfahrung. So entstand als Jahresarbeit eine digitale Stundenplansoftware für seine Schule, über die er heute kritisch sagt, dass sie nur mäßig gut funktionierte.

Nach dem Abitur waren Waldorfschule und Computerprogramme erstmal kein Thema für Großmann: Er studierte Lehramt für Mathematik und Philosophie, hinterfragte seinen eingeschlagenen Weg allerdings zunehmend und machte daher zusätzlich eine Weiterbildung in Softwareentwicklung. Nach dem zweiten Staatsexamen begann er an der Waldorfschule in Engstingen zu unterrichten. Nun, als angestellter Lehrer, der Teil der Delegation für die Deputatsplanung war, fragte er sich, ob «man nicht den Alltag in der Selbstverwaltung durch Software vereinfachen» könne, denn die Stundenpläne wurden mit komplizierten Excel-Tabellen geplant. So verbrachte Großmann seine ersten Ferien damit, diese Tabellen deutlich zu optimieren. Das Ergebnis vereinfachte den Arbeitsalltag, dennoch war die Lösung suboptimal.

Der für die Vertretungsplanung zuständige Lehrer fühlte sich gestresst durch das viele Rumtelefonieren und suchte eine Nachfolge für diesen Posten, den kaum jemand übernehmen wollte. Eine Lehrerin erklärte sich bereit, die Aufgabe zu übernehmen, wenn es eine App gäbe, die vollautomatisch die Planung der Vertretungen übernehmen würde. So verbrachte Großmann erneut seine Ferien am Computer und schrieb das entsprechende Programm.

Selbiges ist in Engstingen seit 2016 in Betrieb und wird gerne vom Kollegium genutzt. Erkrankte Lehrkräfte melden sich in der App krank und können Arbeitsaufträge für ihre Klassen hinterlegen. Die potenziellen Vertreter:innen werden, basierend auf objektiven Kriterien, wie etwa der fachlichen Eignung oder der Anzahl der bereits geleisteten Vertretungen, informiert. Dadurch ist die Planung der Vertretungsstunden deutlich entlastet sowie dezentraler und die Ersatzstunden werden fairer im Kollegium verteilt. Großmann betont, dass die Software das Kollegium zwingt, Strukturen einzuhalten und dadurch die Selbstverwaltung professioneller gestaltet ist.

Von der Schwäbischen Alb in die weite Waldorfwelt

Ein Englischlehrer sah den Bedarf für die elektronische Vertretungsplanung auch bei anderen Waldorfschulen und schlug Großmann vor, die Software gemeinsam zu vertreiben. Dieser Gedanke ließ die Ambitionen der ehemaligen Jahresarbeit wiederaufleben, eine Planungssoftware für Stunden- und Epochenpläne zu schreiben. Seit zwei Jahren vertreibt Waldorf365 Schulsoftware, die den spezifischen Bedürfnissen von Waldorfschulen entspricht. In Kooperation mit großen Anbietern wie Moodle, Threema und weiteren umfasst das Angebot so ziemlich alle Funktionen, die Waldorfschulen in der Verwaltung benötigen. Der Name soll verdeutlichen, dass die Verwaltung an Waldorfschulen 365 Tage im Jahr durch Einsatz der Software vereinfacht ist.

Inzwischen nutzen zehn Schulen in Deutschland Waldorf365, so auch die Freie Waldorfschule Regensburg. Obwohl die Schule noch im Aufbau ist und entsprechend klein, war die Planung mit Excel- und Word-Listen kompliziert und aufwendig. Julia Binninger, die Administratorin für Waldorf365 erzählt begeistert, wie der Arbeitsalltag durch den Einsatz der Software deutlich vereinfacht ist. Anfangs nutzte die Schule nur die Vertretungsplanung, inzwischen fast alle angebotenen Module.

So waren 2023 erstmals auch die Zeugnisse in Waldorf365 verfasst, was den Prozess deutlich vereinfachte. Die gedruckten Zeugnisse werden gebunden. Diese sorgten für sehr viele positive Rückmeldungen der Eltern. Der Algorithmus der Software berücksichtigt die große Raumnot der Schule, sodass sie es schafft, trotz der schwierigen Bedingungen einen sinnvollen Stundenplan zu erstellen.

Binninger sagt, dass die vielen Funktionen waldorfspezifisch und anwenderfreundlich sind. Sie ist voll des Lobes für Waldorf365 und Ulrich Großmann. Dieser sagt, «die Zeit ist reif» für den Einsatz von Software zur Erleichterung der Selbstverwaltung an Waldorfschulen.

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