«Ich lebe die Harmonie, als sei sie meine Melodie.» Dieses Mantra hatte ich auf unserem Zwischenseminar erschaffen – und nun lebe ich es jeden Tag wortwörtlich. Viele Jahre habe ich nach etwas gesucht, das ich nicht in Worte fassen konnte. Nun habe ich es endlich gefunden: mich selbst. Auf dieser langen Reise habe ich viel Neues gefühlt, erlebt und entdeckt. Die Erinnerungen an die bunte Tre Xanh Steiner School, an den leichten Wind in den Haaren an warmen Tagen und an die vielen schönen Begegnungen mit meinen Freund:innen an die Mofa-Touren, die mir Freiheit schenkten; an die vielen Abenteuer in verschiedenen Städten und Ländern; an die Begrüßungen der kleinen Kinder und an jedes Lächeln, das mir meine Kolleg:innen schenkten – all das werde ich für immer in meinem Herzen behalten, als wäre es ein Geschenk. Ein Geschenk mehr wert als Gold.
Meine Aufgaben
An meiner Schule war ich Vertretungslehrerin und Erzieherin im Kindergarten – ich habe in Begleitung einer anderen Erzieherin auf die Kinder aufgepasst. Meine Aufgabe war es, mich um die Kinder zu kümmern, ich habe Früchte fürs gemeinsame Essen zerkleinert, Kinder gewaschen, gewickelt und angezogen. Ich habe mit ihnen im Freien gespielt, sie getröstet und versucht, Vertrauen aufzubauen. Besonders viel Freude bereitete mir das gemeinsame Spielen mit den Kindern. Es berührte mich zutiefst, wie die Kinder ihre Zuneigung und Dankbarkeit auch ohne Worte zum Ausdruck brachten. Anfangs fiel es mir schwer, mit den Kindern umzugehen, da ich sehr vorsichtig war und Angst hatte, sie zu verletzen. Doch schließlich fand ich ein gutes Gleichgewicht und entwickelte ein sicheres Gefühl im Umgang mit den Kindern.
So sah mein Arbeitsalltag aus
Der normale Arbeitstag begann immer um 7.30 Uhr mit dem gemeinsamen Essen von vietnamesischen Gerichten wie Reispüree mit Nori Seetang, Bún Riêu oder Reis mit Ei. Nach dem Essen ging eine Erzieherin mit den Kindern auf den Pausenhof, während die zweite das Geschirr abspülte und die Früchte für den Mittagssnack schnitt. Meistens waren es regionale Früchte wie Wassermelone, Guaven oder Banane. Im Anschluss an das einstündige Spielen auf dem Pausenhof war es Zeit, die Füße und Hände der Kinder zu waschen. Danach haben wir gesungen und die leckeren Früchte verspeist. Dann durften die Kinder spielen. Nach eineinhalb Stunden haben wir Erzieherinnen ein weiteres Lied gesungen, das das Aufräumen für die Kinder signalisierte. Danach folgten das gemeinsame Mittagessen und der zweistündige Mittagsschlaf.
Den Schlaf der Kinder beendeten wir wieder mit Gesang, dann gab es für sie noch einen Nachmittagssnack, der meist aus einer Suppe oder Brot bestand. Nach dem Essen sind wir auf den Pausenhof gegangen, wo die Kinder auf ihre Eltern warteten. Während der Zeit blieb ich meistens im Klassenraum, um den Boden zu wischen und das Badezimmer zu reinigen. Nach Beenden der Aufgaben half ich bei der Pausenaufsicht oder wurde nach Hause geschickt.
Selbstbewusster mit Kindern
Im Laufe der Monate habe ich realisiert, dass ich selbstbewusster im Umgang mit kleinen Kindern geworden bin. Ich ertappte mich selbst dabei, wie ich den Kontakt der kleinen Kinder gesucht habe – selbst, wenn ich nicht in deren Gruppe eingeteilt worden bin. Vor allem hat es mir immer wieder geschmeichelt, wenn Kinder besonders meinen Kontakt gesucht und nach meinem Namen gerufen haben. Ich werde niemals vergessen, wie sie aus großer Entfernung mit einem Lächeln «Cô Mimi», mein vietnamesischer Name mit höflicher Ansprache «Tante», riefen.
Mir ist bewusst geworden, dass die Menschen in Vietnam, die ich getroffen haben, sehr dankbar für das sind, was sie haben. Gastfreundlichkeit, Familienzusammenhalt, Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft werden hier großgeschrieben. Auch wenn ich Vietnam wieder verlassen habe, weiß ich, dass ich ein paar ihrer Werte für immer bei mir behalten werde.
Eine Fülle voll Leben
Den Freiwilligendienst haben vor allem meine neugewonnenen Freund:innen geprägt. Ohne sie wäre der Aufenthalt nur halb so schön gewesen. Dank ihnen konnte ich viel Neues ausprobieren und vor allem mehr über die vietnamesische Kultur kennenlernen. Ich habe viel über die Sprache gelernt und über die wichtigen gesellschaftlichen Werte wie Nächstenliebe, Hilfsbereitschaft und Höflichkeit. Auch meine Schüler:innen sind der Grund dafür, dass mir die Arbeit so eine Freude bereitet hat. Jede herzliche Begrüßung, Umarmung oder gemeinsames Spielen haben mir das Gefühl gegeben, dazuzugehören.
Lernen aus schwierigen Situationen
Ich habe Ho Chi Minh Stadt lieben gelernt. Trotz des Chaos' im unübersichtlichen Menschengewimmel oder im ständig lauten Verkehr hat diese Stadt einen Charme, der selbst mich als ursprüngliches Landmädchen überzeugt hat. Selbstverständlich hatte ich auch schwierige Tage. Jedoch haben mich die Tiefen den Umgang mit schwierigen Situationen gelehrt. Meine größte Sorge war, mein volles Potenzial in diesem Jahr nicht ausgeschöpft zu haben. Ich fürchtete mich davor, meinen eigenen Erwartungen nicht gerecht werden zu können und schlussendlich enttäuscht von mir selbst zu sein. Jedoch haben diese Sorgen mich eines Besseren belehrt und mir gezeigt, dass sie unabhängig vom Land überall stattfinden können. Diese Ängste sind universell und es ist entscheidend, das Hier und Jetzt zu schätzen und nicht zu sehr über hypothetische Szenarien nachzudenken. Es ist in Ordnung, Erwartungen an sich selbst zu haben, solange sie einen nicht lähmen und daran hindern, kleine Fortschritte anzuerkennen.
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