«Selbst wenn du mich fragst, ob ich dich liebe und ich sag ja
Weiß ich manchmal nicht genau, ist das nun Lüge oder wahr
Weil ich oft gar nicht mehr weiß, was ist das: Liebe
Liebt der Papa sein Auto, liebt die Mama den Kaffee?
Liebt das Baby seine Windeln wie der Weihnachtsmann den Schnee?
Oder ist da mehr, oder ist da mehr?
Oder ist das, oder ist das, oder ist das
Alles Lüge?»
Rio Reiser
Die Liebe ermöglicht uns, den anderen Menschen zu sehen, ihn zu erkennen und in seiner Besonderheit zu achten. Die Liebe zu einem anderen, auserwählten Menschen (Eros) ist «ein Spezialfall der allgemeinen Menschenliebe». So schreibt es Rudolf Steiner in seinem Werk Erziehungsfrage als soziale Frage. Damit ist die Liebe ein Grundantrieb für Menschlichkeit und für die emotionale Kraft der Menschenrechte.
Aktuell leide ich unter einer im existenziellen Sinne außergewöhnlich lieblosen politische Debatte. Gestritten wird über Zahlen von Menschen. Es werden pauschal Ethnien und Gruppen «zur Abschiebung freigegeben», oft sehenden Auges in ihr Verderben. Wenn gruppenbezogen aus bestimmten Ländern Menschen «an der Grenze abgewiesen werden sollen», ist das verantwortungslose Lieblosigkeit. Wir müssten aufschreien bei lieblosen und dadurch brandgefährlichen Worten wie Zustrombegrenzungsgesetz. Natürlich muss Zuwanderung differenziert betrachten werden, das ist aber nochmal ein anderes Thema.
Im Deutschen fallen unterschiedliche Ausfaltungen von Liebe in einem Wort zusammen. Über Eros und alle Formen dazwischen und außerhalb möchte ich hier nicht reden, dieses lustvoll ganzheitliche Ereignis des gegenseitigen Erwählens wünsche ich allen. Die Philia, die freundschaftliche Liebe, ist eine sehr starke und wichtige Kraft, die uns durch das Leben trägt. Mir geht es hier aber um Agape oder, etwas weniger aufgeladen, Caritas. Eros und Philia stellen sich von selbst ein. Die Nächstenliebe als echte Menschenliebe im Konkreten, von Ich zum Du, ist hingegen fragil. Diese Kraft der allgemeinen Menschenliebe sollten Schüler:innen in der Schule erleben dürfen und sie sollte besonders gepflegt werden. Das bildet eine menschliche Gesellschaft. Nur auf diesem Fundament dürfen wir beispielsweise über Fragen der Migration diskutieren. Wenn uns dies gelänge, könnten wir der Verlogenheit entgehen, die aus Rios Song tönt.
Ausgabe 05/25
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