Die Freie Waldorfschule Heidelberg unterhält seit 17 Jahren einen von der Gesellschaft zur Erhaltung alter und gefährdeter Haustierrassen e.V. (GEH) anerkannten Arche-Hof. Auf drei Hektar Land, was ungefähr der Fläche von vier Fußballfeldern entspricht, leben auf dem Schulbauernhof derzeit sieben Schafe, 14 Hühner, drei Gänse, neun Laufenten, drei Pferde, Bienen und die Katze «Minimax». Noch in diesem Jahr werden wieder Lämmer der Coburger Fuchsschafe geboren werden. Bis vor einiger Zeit gab es auch Schweine.
Der Arche-Hof ist in das pädagogische Konzept von Schule, Hort und Kindergarten eingebunden und wird unter Anleitung der Gartenbaulehrer:innen zusammen mit den Schüler:innen und einem Team von Mitarbeitenden und Eltern betreut. Zusammengearbeitet wird auch mit der Werkgemeinschaft Martinshof. Dort leben, lernen und arbeiten rund zehn junge Erwachsene mit hohem Assistenzbedarf. Sie werden auf dem Hof betreut und an den Berufsalltag herangeführt.
Bildungsinhalte
Der Arche-Hof ermöglicht den Pädagog:innen eine große Menge an Bildungsinhalten, die an der Schule in den verschiedenen Altersgruppen vermitteln werden, so etwa ökologische Landwirtschaft, Tierpflege, Landschaftsgestaltung, Handwerk, Hauswirtschaft und Veredelung landwirtschaftlicher Produkte. Die verschiedenen Teams von Lehrkräften, Betreuer:innen, Verantwortlichen aus Haustechnik und Schulküche treffen sich regelmäßig, um ihren Alltag und neue Ideen zu besprechen.
«Durch das selbstverständliche Miteinander von Menschen mit und ohne Betreuungsbedarf auf dem Arche-Hof wird Behinderung für unsere Schüler:innen als Variation des Normalen erlebbar. Inklusion müssen wir nicht herstellen, sie wird hier gelebt», so Gartenbaulehrer Rostermund. Das Kernteam besteht aus ihm, einer Teilzeit-Hilftskraft, Mitarbeitenden der Werkgemeinschaft und einer Reittherapeutin und Pädagogin. Viele Eltern und Kinder unterstützen den Hof mit großer Begeisterung.
Echte Erfahrungen
«In der heutigen Zeit wachsen Kinder auf, die noch nie in einem Wald waren oder noch nie an einem Lagerfeuer gesessen haben. Sie sind von Pflanzen, Tieren und dem Jahreskreis weitgehend entfremdet. Mit unserem Hof möchten wir das ändern», sagt Rostermund, der seit zwölf Jahren an der Heidelberger Schule unterrichtet. Körperliche Arbeit im Garten oder im Stall wirken heilsam, findet er. Schafe seien Herdentiere mit starkem Sozialverhalten und im Umgang mit ihnen lassen sich Prozesse beobachten, wie sie auch in menschlicher Gemeinschaft passieren. Der Arche-Hof definiert sich als Lebensort, wo Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen ein Gefühl der Verbundenheit mit Erde, Land und Tieren vermittelt wird. «Wir verstehen den Hof auch als eine Einladung, außerhalb des gewohnten und von Technik dominierten Lebens echte und direkte Erfahrungen zu sammeln», sagt Rostermund. «Die Freude über eine Geburt, das Erleben der Aufzucht, die Auseinandersetzung mit dem Tod – all das sind wichtige Erfahrungen für Kinder und Jugendliche. Der Umgang mit Tieren lehr Schüler:innen, Bedürfnisse zu erkennen, er lässt Wertschätzung und Mitgefühl wachsen – und lässt ein Bewusstsein für Nachhaltigkeit entstehen».
Alte Haustierrassen
Der Arche-Hof ist eingetragener Herdbuchzuchtbetrieb für das Bunte Bentheimer Schwein. Auch Diepholzer Gänse, Coburger Fuchsschafe und Vorwerkhühner werden nachgezüchtet. Tiere, die nicht bleiben können, gehen entweder in Zuchtbetriebe oder werden bis zur Schlachtung aufgezogen. Viele alte Rassen gelten heute als unwirtschaftlich. «Unsere Hühner legen weniger Eier und unsere Schweine wachsen viel langsamer. Das passt nicht zu den modernen Zuchtzielen. Der Arche-Hof bewahrt diese Arten und vermittelt ihren Wert», so Rostermund.
Alltägliche Arbeiten
Jeden Morgen werden alle Tiere gefüttert. Zuständig sind jeweils Teams von Schüler:innen aus den Klassen 1 bis 3. Täglich müssen auch die Ställe ausgemistet werden und die Schafe auf ihre Weide begleitet werden. Nachmittags gibt es einen freiwilligen Kurs Tierpflege für Schüler:innen ab der zweiten Klasse. Im Gartenbauunterricht von Klasse 5 bis 8 lernen die Schüler:innen den Anbau von Gemüse, Kompost bearbeiten und das Backen im Backhäuschen. Während der Ackerbauepoche verbringt die dritte Klasse täglich viele Stunden auf dem Hof, in der Saison werden Apfelsaft und Sauerkraut produziert. In den Ferien werden die Tiere durch Eltern und Kinder versorgt, dabei gibt es zum Beispiel auch die Möglichkeit, im Schulgarten zu zelten. Regelmäßig kommen Jugendliche aus der Mannheimer Hans-Müller-Wiedemann Schule, einer heilpädagogischen Einrichtung, für Praktika auf den Hof.
Persönliches Engagement
Der 48-jährige Björn Rostermund ist auf einem Bauernhof aufgewachsen und verbindet heute den Umgang mit Tieren und das Lehrersein auf ideale Weise: «Es erfüllt mich sehr, Kinder durch den Jahreskreis in der Natur zu begleiten», so Rostermund. Dabei sind es vor allem die besonderen Erlebnisse, die sowohl die Schüler:innen, wie auch den Lehrer geprägt haben: «Ein Mädchen trauerte tagelang um unser Pony. Ein Junge half, ein Lamm auf die Welt zu bringen. Solche Momente verändern", erzählt Rostermund. «Auch mich haben etliche Tiere jahrelang begleitet - ihr Tod hat Spuren hinterlassen.» Immer wieder haben sich in den vergangenen Jahren Schüler:innen entschieden, nach der Schule in die Landwirtschaft zu gehen. Ob das am Arche-Hof lag, weiß Rostermund nicht, aber gefreut hat er sich jedes Mal über eine solche Entscheidung.
Zukunft
Langfristig hat das Team des Hofes das Ziel, die Arche in pädagogischer und therapeutischer Richtung noch weiter auszubauen, berichtet Rostermund. Geplant ist zunächst einmal die Schweinehaltung wiederaufzunehmen. Dafür braucht der Hof Geld für den Umbau des Stalles, für Umzäunung und Ausläufe. Außerdem ist ein Gebäude geplant, das Gartenbau, Werkgemeinschaft und Hort gemeinsam nutzen können.
Kommentare
Es sind noch keine Kommentare vorhanden.
Kommentar hinzufügen
Vielen Dank für Ihren Kommentar. Dieser wird nach Prüfung durch die Administrator:innen freigeschaltet.