Ausgabe 10/24

Eine Möglichkeit, Waldorf zu stärken

Fabian Michel


Fabian Michel | Sie arbeiten für die Landesarbeitsgemeinschaft (LAG) Berlin-Brandenburg und unterstützen darüber hinaus Initiativen in Deutschland, die eine Waldorfschule gründen wollen, indem Sie bei verwaltungsrechtlichen, pädagogischen Fragen und Vorgehensweisen beraten.

Julian Scholl | Das ist richtig. Meine Schulzeit habe ich weitgehend an der Waldorfschule in Kassel verbracht, wo ich mein Abitur und eine Schreinerausbildung absolviert habe. Im Anschluss war ich im künstlerischen Bereich tätig und danach arbeitete ich für eine Kommunikationsagentur. Dass ich jetzt die sinnstiftende Arbeit für die Schulen in Berlin und Brandenburg machen kann, ist mir eine Freude.

FM | Ich finde den Brückenschlag zwischen den deutschen Waldorfschulen und den Waldorfschulen im Ausland immer besonders spannend. Sie und Ihre Familie sind Paten für Bildung. Was hat Sie dazu bewegt, eine Patenschaft zu übernehmen?

JS | Waldorfschulen außerhalb von Deutschland sind wichtig, denn sie entwickeln die Waldorfpädagogik in anderen Kontexten als hier bei uns weiter. Sie greifen lokale kulturelle, religiöse, soziologische und historische Traditionen auf, in denen die Kinder leben, und bereichern damit das, was Waldorfpädagogik sein kann. Für uns als Familie war es wichtig, gleichaltrige Kinder zu erleben und aufwachsen zu sehen. Nur so verlieren Fremde das Fremde. Das wollten wir unseren eigenen Kindern vermitteln.

FM | Was hat Sie überrascht, nachdem Sie die Bildungspatenschaften übernommen haben?

JS | Ich würde es eher als «Aha-Moment» und weniger als Überraschung bezeichnen. Zu sehen, dass Kinder unabhängig ihres soziokulturellen Hintergrundes in den unterschiedlichen Lebensphasen sehr ähnliche Themen, Fragen und Probleme haben, war eine schöne Erkenntnis. Ein Beispiel ist unser mittlerweile jugendliches Patenkind, das sich in der Pubertät massiv gegen Eltern und Lehrkräfte auflehnt und dabei überall aneckt, aber gleichzeitig im Klassenspiel eine überragende Performance hinlegt. Oder ein anderes Kind, das in der achten Klasse beginnt, sich für Politik zu interessieren und die Zusammenhänge von Klimawandel und politischen Nicht-Entscheidungen zu thematisieren, weil sie in seinem südamerikanischen Land spürbar werden. Nicht nur für unseren etwa gleichaltrigen Sohn war das spannend, sondern auch für uns als Eltern.

FM | Wie funktioniert die Kommunikation mit Ihren Patenkindern?

JS | Das ist ganz unterschiedlich. In den vergangenen Jahren hatten wir sechs Patenkinder in Ländern wie Brasilien, Ungarn, Südafrika oder den Philippinen. Jedes Kind ist anders. Manche schreiben und malen viel und gerne, manche weniger. Aber die Kinder entwickeln sich im Laufe einer jahrelangen Patenschaft und damit verändern sich auch ihre Interessen und Fähigkeiten. Je nach Alter kann es passieren, dass es einem Kind ganz besonders schwerfällt, zu kommunizieren. Wir freuen uns jedenfalls über jeden Brief und jedes Bild, haben aber auch großes Verständnis, falls es mal weniger Post gibt.

FM | Was können wir als Träger und Vermittler der Bildungspatenschaften noch verbessern?

JS | Ich denke, die Freunde der Erziehungskunst könnten sich als Institution nicht nur als Hilfsorganisation und mehr als Impulsgeber, Erneuerer oder Inspirator für die Waldorfbewegung verstehen und inszenieren. Denn die Waldorfbewegung ist international und die Pädagogik außerhalb Deutschlands greift die jeweiligen kulturellen Begebenheiten auf. Lokale Märchen, Mythen und Religionen finden genauso Einzug wie die jeweilige Geschichte, die unser abendländisch-eurozentristisches Weltbild erweitern können. Die Geschichte Chinas, Indiens oder auch die des christlichen Äthiopiens reicht weiter zurück als die vieler europäischer Staaten und sie ist mit unserer verwoben. Das zu verstehen, ist in einer multipolaren Welt spannend, auch für unsere Schüler:innen. Die Freunde der Erziehungskunst mit ihren vielfältigen Kontakten und internationalem Know-how könnten hier stärker als Vermittler genutzt werden und damit zur Weiterentwicklung der Waldorfpädagogik in Deutschland beitragen.

FM | Was hat Sie dazu bewegt, gerade uns als Verein zu unterstützen?

JS | Weil ich begeistert davon bin, dass die Freunde der Erziehungskunst seit 50 Jahren die Spenden zu hundert Prozent weiterleiten. Ich kenne keine Organisation, die so arbeitet. Ohne finanzielle Unterstützung ihrer Arbeit ist es natürlich unmöglich, dieses Ideal fortzuführen. An dieser Stelle würde ich auch gerne den Tipp einbringen, viel mehr auf die Notwendigkeit der Unterstützung Ihrer Arbeit aufmerksam zu machen, damit die fantastische Arbeit, die Sie von Ihrem kleinen Berliner Büro aus leisten, auch in Zukunft bestehen bleiben kann.

FM | Würden Sie die Übernahme einer Bildungspatenschaft über die Freunde der Erziehungskunst weiterempfehlen?

JS | Jederzeit. Es ist eine wunderbare Möglichkeit, die Waldorfinitiativen im Ausland zu stärken und die große Herausforderung anzunehmen, Kinder an einer Waldorfschule aufzunehmen, deren Eltern in einer schwierigen finanziellen Situation sind.

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