Im Gedenken an die verheerende Zerstörung Magdeburgs im Jahr 1631 tauchten unsere Schüler:innen in einem klassenstufenübergreifenden und interdisziplinären Projekt tief in die dunklen Zeiten des Dreißigjährigen Krieges ein. In den Fächern Geschichte, Religion, Deutsch und Musik setzten sie sich mit der Tragödie auseinander, die damals den Menschen in unserer Stadt widerfuhr. Magdeburg, einst ein stolzes urbanes Zentrum im Osten des Reiches, wurde zum symbolträchtigen Ziel der kaiserlichen Truppen. Die Eroberung durch General Tilly am 20. Mai 1631 war geradezu apokalyptisch. In den Gräueln der sogenannten Magdeburger Bluthochzeit, der erzwungenen Vermählung zwischen dem Kaiser und der Jungfrau zu Magdeburg, fand der Großteil der Bevölkerung ein grausames Ende. Die wenigen Überlebenden erlitten Gewalt oder wurden als Geiseln verschleppt. Noch zehn Jahre später war die Einwohnerzahl um neunzig Prozent geringer, als vor der Bluthochzeit. Der Begriff magdeburgisieren prägte sich in die deutsche Sprache ein als Synonym für völlige Zerstörung und unvorstellbaren Schrecken.
Doch dieses Schulprojekt diente nicht nur der historischen Aufarbeitung. Es sollte auch die Kreativität der Schüler:innen anregen und für neue Kunstwerke sorgen. Die Schüler:innen der elften Klasse sammelten nicht nur historische Fakten und analysierten Quelltexte, sondern setzten sich auch mit den emotionalen und gesellschaftlichen Dimensionen des Ereignisses auseinander. Diese Reflexionen bildeten die Grundlage für die Texte einer Messe, die schließlich von der Schulgemeinschaft im Rahmen des Gedenktages aufgeführt werden sollte. Als ich den Schüler:innen erklärte, dass sie ein Werk schaffen könnten, das ein Zeichen des Friedens in die Welt senden würde, und dass sie ihre Gedanken und Ideen in der vollbesetzten Johanniskirche vortragen könnten, spürten alle die Einzigartigkeit dieses Vorhabens. Mit großer Leidenschaft arbeiteten sie in Gruppen, angeleitet von der Deutschlehrerin als Lernbegleiterin und Ansprechpartnerin.
Nach vier Wochen intensiver Arbeit waren die Texte fertig. Darauf folgte die Komposition durch den Musiklehrer, der Sätze für einen vierstimmigen Chor und ein klassisches Orchester schuf. Die Zeit drängte, denn die zwölf Stücke mussten mit sechs Gesangsensembles und dem Orchester einstudiert werden. Der Unter- und Mittelstufenchor mit 40 Mitgliedern bildete das Rückgrat des Klangkörpers, ergänzt durch ein Vokalensemble aus Eltern und Lehrkräften mit 30 Stimmen. Die beiden zehnten Klassen nahmen traditionell am Chorprojekt teil, während die Elftklässler:innen freiwillig mitwirkten. So standen schließlich 120 Sänger:innen dem Orchester aus Eltern und Freund:innen unserer Schule gegenüber. Die Proben wurden intensiviert und ganze Tage widmeten sich der Friedensmesse. Gemeinsam mit unserer Gesangspädagogin wurden drei Probetage organisiert.
Die Schüler:innen blieben an diesen Freitagen bis weit nach 15 Uhr in der Schule, obwohl der Unterricht deutlich früher geendet hatte. Die Johanniskirche, mit 600 Plätzen bis auf den letzten gefüllt, wurde Zeuge eines besonderen Moments. Die Oberbürgermeisterin sprach ein bewegendes Grußwort, bevor der Chor die Messe eröffnete. Im ersten Stück, Zu den Waffen, ertönte der Ruf des Feldherrn, gefolgt von den ergreifenden Klängen von Kyrie und Gloria. Besonders beeindruckend war das vierte Stück, Bleierne Kugeln, in dem die Schüler:innen den Sturm auf die Stadt beschrieben: «Tränen fallen, mischen sich mit Kindesblut. Menschen schreien, Glocken schlagen. Wo ist das Mein und Dein?» Im siebten Stück, Neuanfang, verschmolzen die Klänge zu einer sphärischen Harmonie, die eine Brücke schlug zwischen den Schrecken vergangener Kriege und den Konflikten unserer Zeit. Das Herzstück der Messe war jedoch das Stück Protect our Peace. Über 80 Kinder und Jugendliche erhoben ihre Stimmen und ließen diese eindringliche Botschaft im ehrwürdigen Kirchenschiff widerhallen. Nachträglich habe ich sehr schöne Rückmeldungen zu unserem Projekt bekommen. Ein Schüler resümierte es als «einzigartige Erfahrung, die auch sehr viel Spaß gemacht hat». Ein Zuhörer sagte: «Ich wurde selten in einem Konzert so emotional mitgenommen wie heute».
Mit dieser Aufführung wurde ein kraftvolles Zeichen gesetzt: eine Erinnerung an die Vergangenheit, eine Mahnung für die Gegenwart und ein Hoffnungsschimmer für eine friedvolle Zukunft.
Ausgabe 12/24
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