Der Ruf von Kantinen ist oft nicht der beste. Dort wird nun mal für viele Menschen gekocht, für die Masse. Und so schmeckt es dann meistens fad, langweilig und geschmacklos. Besonders in Schulen gibt es da regelrechte Horrorgeschichten, die es mit Edgar Allan Poe aufnehmen könnten. Beispiel für eine Schulküche, die nicht Angst und Schrecken verbreitet, sondern für Freude und Wohlbefinden sorgt, ist die der Waldorfschule München Südwest.
Schulke | Matthias, heute ist Freitag, da steht auf dem Speiseplan:
«Fröhliches Reste-Essen». Kommt das bei den Kindern und Jugendlichen gut an?
Schäfer | Bei den Kids sogar sehr gut. Nur einige Eltern waren anfangs skeptisch, haben den Kopf geschüttelt: «Reste-Essen? Das ist nichts für mein Kind.» Doch die Schüler:innen feiern das. So kann jeder die Highlights der Woche nochmal genießen. Dadurch, dass wir fast alles selbst und frisch zubereiten und über eine moderne Großküche mit entsprechenden Kühlschränken verfügen, schmeckt das Essen vom Montag auch am Freitag noch gut.
SSch | Fast alles?
MS | Unser Essen besteht zu hundert Prozent aus Bio-Produkten. Unser Fleisch beziehen wir von einem Metzger hier aus der Region.
Außerdem kochen wir zu über 90 Prozent convenience-frei. Das heißt: Bis auf Kaiserschmarrn und Pommes, die eher selten auf unserem Speiseplan stehen, machen wir alles selbst. Klar. Das ist die Basis für ein gutes, frisches und nachhaltiges Essen, das am Ende des Tages nicht in der großen, blauen Mülltonne landet, sondern am Freitag nochmal zum Einsatz kommt. So schmeißen wir fast kein Essen weg und sparen damit auch viel Geld ein. Wir sind eine von drei Schulkantinen in Bayern, die kein Minus macht.
SSch | Durch das fröhliche Reste-Essen?
MS | Genau. Früher hatten wir zwei große Mülltonnen, die an jedem Freitag vor allem mit Essensabfällen bis oben hin gefüllt waren. Durch das Reste-Essen ist es nur noch eine, in der sich überwiegend Küchenabfälle wie Schalen von Karotten und Kartoffeln befinden. Das schafft bei den Kindern auch ein stärkeres Bewusstsein und Verständnis von nachhaltigem Konsum.
SSch | Wie schaut der Speiseplan einer Woche so aus?
MS | Wir haben eine gute Mischung aus Klassikern wie Fischstäbchen mit Kartoffelpüree und Erbsen. Chili con oder sin Carne kommt auch immer wieder gut an. Oder Spinatknödel mit Nussbutter und Käse. Dazu auch mal was Neues wie Gnocchi mit Kürbis-Salbei-Sauce. Unser Salatbuffet ist auch sehr gefragt. Genauso wie Obst und zweimal in der Woche eine Nachspeise. Wir nehmen bei den Gerichten natürlich auch Rücksicht auf Allergiker:innen, kochen überwiegend vegetarisch und haben nur einmal im Jahr so etwas wie Pizza und Burger im Angebot.
SSch | Das funktioniert?
MS | Sehr gut. Solange es den Schüler:innen schmeckt. Die sagen mir klar und direkt ins Gesicht, was sie von meinem Essen halten – das gefällt mir sehr. So weiß ich, woran ich bin. Und genau darauf reagiere ich dann auch. Schließlich koche ich ja für die Kinder, die sich natürlich gesehen und verstanden fühlen, nicht irgendetwas aufgezwungen bekommen wollen. Und wo auch die Eltern nicht mitmischen und mitbestimmen. Es geht hier um die Kinder. Für die möchte ich etwas Gutes und Gesundes kochen, das macht Spaß und vor allem Sinn. Einfach, gut und ehrlich muss es sein, so könnte das Erfolgsrezept unserer Mensa lauten.
SSch | Wie viele Essen gehen bei dir so am Tag raus?
MS | Ich bin seit 2015 hier an der Waldorfschule, da hatten wir noch nicht so viele Klassen, Schüler:innen und Lehrer:innen – um die 300 Essen gingen damals raus. Heute sind es 650 mit dem Kinderhaus und einem Kindergarten, den wir beliefern. Doch wir sind ein gutes und eingespieltes Team. Neben mir arbeiten noch fünf weitere Leute in der Küche. Außerdem unterstützen uns jede Woche zwei Jugendliche aus der siebten Klasse, die ihr sogenanntes Küchenpraktikum machen – mit Kochen, Essensausgabe, die Mensa vorbereiten und natürlich Aufräumen.
SSch | Wie bist du zum Kochen gekommen?
MS | Das war eigentlich eine Notlösung. Ich bin selbst Waldorfschüler gewesen, hatte in Leipzig Sozialpädagogik studiert und nach ein paar Semestern gemerkt, dass mir das einfach keinen Spaß macht. Und Kochen war immer schon mein Ding – für Freunde und für die Familie. So stand ich plötzlich vor dem Herd, habe meine Ausbildung zum Koch gemacht. In Hannover war ich dann in einem Restaurant stellvertretender Küchenchef, ehe ich in Hamburg meinen eigenen Laden aufgemacht habe – Stammheim hieß das. Seit 2011 bin ich nun schon in München. Für Kinder wollte ich immer schon kochen, das gibt meiner Arbeit nochmal einen ganz besonderen und tieferen Sinn.
SSch | Dabei bist du allerdings nicht nur Koch?
MS | Da unsere Küche sehr offen ist und eine gute Stimmung ausstrahlt, rennen die Kids nicht nur zum Essen bei uns schnell rein. Sie sitzen hier, unterhalten sich, treffen sich, tauschen sich aus – unsere Mensa ist schon so etwas wie ein Wohlfühlort. Ich habe auch immer ein Ohr für ihre alltäglichen Sorgen. Und die Kids können auch immer zu mir kommen und sich noch etwas aus der Küche holen. «Wir haben noch Hunger», sagen sie dann. «Im großen Kühlschrank gibt es noch Joghurt oder Kuchen. Oder einfach Äpfel», antworte ich. «Schaut einfach mal nach.»
SSch | Auch die Musik kommt bestimmt gut an?
MS | Ich mag ganz gerne Hip-Hop. Und Musik sorgt schon mal für eine gute Grundstimmung, wenn wir hier ab 6.30 Uhr in der Küche stehen, Obst und Gemüse putzen, schnippeln und schneiden, um das Tagesessen vorzubereiten. Knapp acht Stunden Vollgas geben, bedeutet das. Um 14.15 Uhr ist dann die Mensa zu.
Ausgabe 09/24
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