Ausgabe 09/24

Entscheiden – mit spielerischem Ernst

Hans Hutzel

Auch an unseren Schulen machen wir das den Kindern und Jugendlichen vor. Zu welchem Learning führt das? Gerade wenn wir als Schulen in Freier Trägerschaft doch wissen sollten, dass wir ein Ort der gelebten Demokratie und der gemeinschaftlichen Entscheidungsfindung sein könnten. Schulen in freier Trägerschaft wurden mit guten Gründen vor 75 Jahren im Grundgesetz in Artikel 7 an prominenter Stelle verankert. Im Alltag frage ich mich, wie wir dem Aufruf Steiners gerecht werden: «Werde ein Mensch der Initiative!»
Wir sind heute in ein schwierig auszubalancierendes Dreieck eingespannt. Wir wollen Initiativen in demokratischen Prozessen nachvollziehbar und transparent machen und mit allen Beteiligten im Konsens entscheiden. Und die Geschwindigkeit sollte auch noch stimmen. Das achte ich als sehr hohen Wert und setze mich persönlich dafür ein. Im Projekt Demokratiekultur und wo immer ich kann. Doch oft kollidiert das mit dem anderen Ideal der Initiative. Diese geht von einzelnen Personen oder Gruppen aus, die gut miteinander können und unter denen sich ein Flow entwickelt. Wie binden wir das richtig in die Checks and Balances ein, die allenthalben gefordert werden – ohne dass es zu Hemmungen, wie meine Vorstandskollegin Eva Wörner den Begriff Checks im letzten Standpunkt übersetzt hat, und endlosen Feedbackschlaufen kommt?
Ich erlebe an vielen Stellen eine unglaublich beschleunigte Zeit, in die wir hineingestellt sind. Prozesse, die vor einigen Jahren noch mit Ruhe angegangen werden konnten, müssen heute sehr viel schneller durchgeführt werden. Im Bund der Freien Waldorfschulen brauchen Entscheidungsprozesse oft mehr als ein Jahr von einer Mitgliederversammlung zur nächsten. Das ist in der hyperkomplexen Welt, die sich schnell dreht, eindeutig zu bräsig. Und Entscheidungen, die Wirklichkeit wirklich verändern, kreisen in Kreisen und Gremien vor sich hin.
Wir müssen das Spannungsdreieck aus Initiative, demokratischer Entscheidungsfindung sowie Kontrolle und Geschwindigkeit neu justieren. Es lohnt sich, das bei anderen modernen Organisationsprozessen abzuschauen. Initiativen sollte mit wohlwollender Begleitung mehr Bewegungsfreiheit gewährt werden. Und dabei neue, schnellere demokratische Entscheidungsformen gefunden werden. Hilfreich ist die Frage: «Safe enough to try?» Ist diese Idee sicher genug, sie mal auszuprobieren, im Prozess zu sehen, was sie bewirkt und wie wir sie gemeinsam (noch) besser machen können? Lasst uns Initiative dabei mit einem ernsthaft-spielerischen Blick betrachten. Das wäre doch ein schönes Erleben für die Heranwachsenden in unseren Schulen: spielerischer mit eigenen Ideen umgehen und erleben, wie dies in einer demokratischen Kultur aufgehoben und gefördert wird!

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