Zusammen mit ein paar Freunden will Mishka eigentlich gerade eine Ladung selbst gebackener, bunt verzierter Cupcakes verspeisen, als eine immer größer werdende Aufregung um sich greift. Die Clique sitzt in einem von sieben weiß gestrichenen Backsteinhäusern zusammen, die sich in der Camphill Farm Community im südafrikanischen Hermanus an den Hang schmiegen. Dort ist Mishka vor erst einer Woche angekommen, um einen Freiwilligendienst zu absolvieren. Doch aus der Cupcake-Party mit den anderen Freiwilligen wird nichts. Plötzlich heißt es, die Residents, die Bewohner:innen also, müssen evakuiert werden. Denn in Hermanus fällt Regen. Ununterbrochen. Seit Tagen schon. «Der Boden konnte kein Wasser mehr aufnehmen. Deshalb stand es auf einmal knöchelhoch vor unserer Tür und in manche Häuser ist es auch eingedrungen», erinnert sich Mishka. Noch heute resümiert sie kopfschüttelnd: «Was für ein Start!» Heftig sei es gewesen, nach nur einer Woche in so einer ernsten Lage zu sein, auf die Schnelle das Nötigste mit den Bewohner:innen zusammenpacken und umsiedeln zu müssen. Weil auch die Brücke kaputt gegangen ist, über die man zur Community gelangt, waren alle Beteiligten für mehrere Tage von der Umgebung abgeschnitten. Nach insgesamt elf Monaten in Südafrika und längst zurück in Deutschland, sagt sie aber auch, dass ihr Jahr als Freiwillige kaum besser hätte anfangen können: «Diese Extremsituation hat zusammengeschweißt und danach war ich mit allem schon sehr verbunden.»
Leben und arbeiten
«Alles», das sind im Fall der Camphill Farm Community zunächst mal bis zu 70 erwachsene Menschen mit Behinderungen und besonderen Bedürfnissen. Auf die sieben Backsteinhäuser verteilt, leben sie in Hermanus in Kleingruppen mit Hausmüttern und Hausassistent:innen zusammen. «Alles», das sind außerdem fünf Workshops, die den Bewohner:innen niedrigschwellige und sinnerfüllte Arbeitsgelegenheiten bieten. Mishka hat als Freiwillige zwei von ihnen näher kennen gelernt: «Montags und dienstags habe ich im Herbgarden mitgeholfen. Gemeinsam mit den Residents habe ich Unkraut gejätet, Obst und Gemüse angepflanzt sowie Tees und Kräutersalze hergestellt. Mittwochs und donnerstags war ich auf der Farm, wo wir uns hauptsächlich um die Kühe, den Esel und die Schweine gekümmert haben. Traktor-Fahren, Felder-Mähen und Feuerholz-Ausliefern gehörten aber auch dazu.» Der Umgang mit besonderen Menschen war Mishka dabei nicht fremd. Als Kind hat sie eine inklusive Grundschule besucht und auch die Schwester ihrer Oma, die Mishka gut kennt, lebt mit einer Behinderung. Die Menschen in der Dorfgemeinschaft haben ganz verschiedene Beeinträchtigungen. «Es gibt Menschen mit Down-Syndrom, Menschen mit Autismusspektrumsstörungen, mit Schizophrenie und auch solche, die einen Suizidversuch überlebt, aber schwere körperliche Schäden davongetragen haben», berichtet Mishka.
Feinfühlig, aber klar
Die größte Herausforderung hätte darin bestanden, den Residents mitfühlend und zugleich deutlich zu begegnen. Mishka denkt dabei vor allem an zwei Bewohner. «Im Herbgarden gab es einen Epileptiker, bei dem ich immer darauf achten musste, dass er sich nicht zu viel zumutet. Er hatte viel Freude an der Arbeit, war körperlich aber kaum belastbar. Ich habe immer wieder versucht, sein Interesse zu den leichteren Tätigkeiten zu lenken, Teeblätter von den Stängeln zupfen zum Beispiel, damit er sich nicht überanstrengt.» Außerdem fällt ihr noch ein Bewohner mit Schizophrenie ein – kräftig und mit einem starken Willen. «Der liebte das Bäume-Fällen, driftete aufgrund seiner Erkrankung aber immer wieder in andere Welten ab und durfte deshalb nicht mit der Axt umgehen. Ihm das immer wieder zu erklären und nicht einfach zu verbieten, brauchte viel Fingerspitzengefühl», erzählt Mishka.
Elefanten entlang der Garden Route
Vor allem solche Eins-zu-eins-Situationen, aber auch alltägliche Diskussionen wie die über Urlaubstage oder gestohlene Kreditkarten haben die junge Frau während ihres Freiwilligendienstes reifer werden lassen. Durch die Freundschaft zu zwei Studenten aus Kapstadt hat Mishka auch eine Menge vom Rest des Landes gesehen. Zusammen sind sie durch Cafés, Restaurants und Clubs gezogen und haben mehrtägige Ausflüge in andere Regionen Südafrikas unternommen. Schon lange vor ihrem Freiwilligendienst hegte Mishka den großen Traum, einmal Elefanten in freier Wildbahn zu sehen. In Südafrika hat er sich erfüllt. Entlang der Garden Route, die bekannt ist als Safari-Strecke zu den Big 5, hat sie sie entdeckt. Neben dieser und anderen Erinnerungen hat Mishka einige südafrikanische Kochrezepte mit nach Hause genommen und auch die Begeisterung für eine Musikrichtung, die in der 2010er Jahren in Südafrika entstand – Amapiano. Eines der Rezepte nachkochen und dazu die Klaviermusik laufen lassen, die eine Mischung aus Deep House, Jazz und Lounge-Musik ist, das möchte Mishka bald mal wieder machen. Vorerst studiert sie in Deutschland Kommunikationswissenschaften, sie kann sich aber gut vorstellen, eines Tages nach Südafrika zurückzukehren, um dort zu leben.
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