Ausgabe 12/23

Für die einen Störung, für die anderen Stärken

Angelika Lonnemann

Unter den richtigen Umständen ist Anderssein eine Superkraft». Seit einigen Jahren wünschen sich Forschende und Laien einen neuen Blick auf besondere
Bedürfnisse von Kindern, Jugendliche und Erwachsenen. Neurologische Besonderheiten sollten nicht als Störung, sondern als Eigenart betrachtet werden. Das Fachwort hierfür ist «Neurodiversität». Dies wirft einerseits die Frage auf, wie überhaupt psychische Störung zu definieren ist. Gleichzeitig ist eine Diagnose von allen psychischen Besonderheiten wichtig und hilfreich, weil erst sie spezielle Unterstützung ermöglicht. Das kann die betroffenen Kinder und deren Eltern enorm erleichtern.
Als Mutter an einer Waldorfschule war es für mich immer ein Grund höchster Bewunderung, wenn Lehrkräfte in ihre großen Klassen auch noch mehrere Kinder mit besonderen Bedürfnissen aufnahmen. Dazu sahen sich nicht alle Klassenlehrer:innen in der Lage – insofern ist es wohl auch eine Frage der
Lehrer:innenpersönlichkeit, inwieweit inklusive Waldorfpädagogik im Alltag lebt. Die Klassenlehrerin Nadine Mescher, die uns in ihrem Artikel davon erzählt, wie es ihr gelingt, die vielen unterschiedlichen Anforderungen ihrer Schüler:innen zu erfüllen, meinte: «Mir ist wichtig zu zeigen, dass es viele Gründe für und Möglichkeiten der Differenzierung gibt. Setze ich zum Beispiel viele Zeichen und Symbole für Autist:innen im Unterricht ein, profitieren auch die sehr schüchternen Kinder davon». In unserem Thementeil haben wir auch Beiträge von zwei Ärzten, die sich mit ADHS-Schulkindern beschäftigen, einen Bericht über einen hochbegabten Schüler von Christian Boettger, einen über Hochsensibilität der Sozialpädagogin Melanie Vita und zwei lebendige Reportagen von Katrin Kühne, die sich mit Schüler:innen und Ehemaligen über ihr Leben mit Hochbegabung und Hochsensibilität unterhalten hat.
Auch sonst gibt es viele weitere schöne Beiträge. Jürgen Beckmerhagen war Gast beim Russischunterricht in einer Hamburger Waldorfschule. Ulrike Sievers und Martyn Rawson nehmen die Epochenhefte in den Blick. Dorothea Schmidt berichtet aus der Waldorfschule im französischen Sorgues von den besonderen Herausforderungen einer Schule ohne staatliche Unterstützung und Bettina Huber stellt die Waldorflehrer:innenausbildung in Österreich vor. Ob die Waldorfschulen in Deutschland bald unter einem Kreidenotstand leiden, davon handelt der Artikel von Daniela von Pfuhlstein.
Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre und einen hellen Dezember!

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