Sensibilität für Rassismus
In der Augustfolge des #waldorflernt-Podcasts «Gegenwart hören, Zukunft gestalten» verdeutlichen Mirjam Nuenning und Maria Umbach, zwei Waldorfpädagoginnen aus Berlin, wie wichtig es für Kindergärten und Schulen ist, sich kollegial auf den Weg zu machen, um ein Bewusstsein für Diversität und eine Sensibilität für Rassismus und Diskriminierung zu entwickeln. Im Fokus stehen dabei nicht vorrangig die offene Ausgrenzung oder die gezielte Verletzung. Die Pädagoginnen machen vielmehr auf die vielen kleinen, oft unbewussten Situationen aufmerksam, in denen wir vielleicht sogar mit guter Absicht oder einfach aus Unwissenheit andere Menschen verletzen oder Signale aussenden, die als diskriminierend empfunden werden. Auch das Weglassen spielt dabei eine Rolle! Positionieren wir uns als Schule eindeutig und öffentlich sichtbar in Rassismus- und Genderfragen? Können Menschen, die auf unsere Schulwebseite schauen, erkennen, welcher Wind bei uns weht? Dass wir Diversität nicht «einfach nur so» willkommen heißen, sondern uns als Schule aktiv mit diesen Themen auseinandergesetzt und auf den Weg gemacht haben?
Dieser Weg, oder besser diese Wege – denn zur Rassismussensibilisierung gehört auch das Thema Dekolonisierung – führen uns auch in fachliche Gefilde. Das betrifft beispielsweise den Erzählstoff, Gedichte und Lieder sowie die Auswahl von Geschichten und Lektüren im Klassenlehrer:innen- und Fremdsprachenbereich. Ebenso stellt sich die Frage, welche Biographien wir verwenden, ob wir berühmte Menschen finden, die nicht weiße europäische Männer sind. Vor allem im Geschichtsunterricht in Mittel- und Oberstufe ist ein Perspektivenwechsel angebracht: Wir müssen uns fragen, wie es den Menschen ging, die «erobert» wurden, deren Leben und Kultur zerstört und die ihrer Traditionen und Sprachen beraubt wurden.
Gemeinsam lernen
Es wird schnell deutlich, dass wir als Einzelne an unsere Grenzen kommen, wenn wir all diese Themen bewältigen wollen. Da ist es hilfreich und ermutigend zu wissen, dass es Arbeitsgruppen und Initiativen gibt, die daran arbeiten, Bestehendes kritisch zu betrachten. Diese erstellen wo nötig neue Materialien, in denen keine diskriminierenden oder kolonialen Bilder und Inhalte transportiert werden, und bieten sie zur Anwendung an. Erste Ansätze eines neuen Griffs auf den Geschichtsunterricht finden sich zum Beispiel in dem von Frank Steinwachs und anderen bereitgestellten Material zum Geschichtsunterricht der fünften Klasse. Eine Reihe von Forschungsprojekten zum Geschichtsunterricht, die von der Pädagogischen Forschungsstelle geförderte wird, wird hier sicher noch Weiteres und Interessantes beitragen.
Artikel wie dieser oder Podcasts wie «#waldorflernt: Gegenwart hören, Zukunft gestalten» können Interesse wecken und erste Anregungen geben. Grundsätzlich bedarf dieser Themenkomplex aber des kollegialen Miteinander-Lernens, zu dem auch die Zusammenarbeit und der Austausch mit den Eltern gehört. Das kann als Teil der Konferenzarbeit oder bei speziellen schulinternen Workshops geschehen. Auch der Austausch mit Eltern und Kolleg:innen anderer Schulen und Einrichtungen, wie bei den #waldorflernt-Onlineveranstaltungen direkt zu diesen Themen, kann hilfreich sein. Die Online-Kurse, wie etwa die wöchentlich stattfindenden Gruppen für Klassenlehrer:innen der Klassen eins, zwei und drei sowie die monatliche Studiengruppe Fremdsprachen bieten die Möglichkeit, neben vielen anderen Themen auch Fragen aus dem Kontext Rassismus-, Diversitäts- und Gendersensibilisierung anzusprechen und gemeinsam zu bewegen.
Besonders freuen wir uns, eine Online-Studiengruppe zum Thema Rassismussensibilisierung ankündigen zu können: Mirjam Nuenning und Maria Umbach geben hier gemeinsam für Kolleg:innen, die an dem Thema interessiert sind und sich schon auf den Weg gemacht haben, in monatlichen Treffen das Schuljahr hindurch Impulse zu verschiedenen Themen und laden zum kollegialen Austausch ein.
Mut zur Veränderung
Angesichts der Komplexität und Vielschichtigkeit dieser Aufgaben brauchen wir vor allem Mut! Mut, uns der eigenen Unsicherheit und Unwissenheit, aber auch den eigenen Ängsten zu stellen. Mut, unsere Überforderung einzugestehen, Fragen zu stellen und andere um Hilfe zu bitten. Mut, ins Gespräch zu gehen, ohne schon die Antworten parat zu haben, und gemeinsam Forschende zu werden mit Kolleg:innen und Mitarbeiter:innen, mit Eltern und auch mit Schüler:innen. Denn wie schon bei Themen rund um Schutzkonzept und Gewaltprävention steht auch bei der Rassismussensibilisierung ein waches Bewusstsein für den Umgang miteinander im Vordergrund und die Frage: Wie können wir miteinander und voneinander lernen? Ganz im Sinne Martin Bubers, geht es darum, «am Du zum Ich zu werden», gemeinsam zu wachsen und gemäß der Worte Rudolf Steiners, «im Menschen sich schauen, heißt Welten erbauen», eine für alle lebenswerte Zukunft zu gestalten.
Onlinekurs, Anmeldung unter www.e-learningwaldorf.de. Mehr Details unter www.waldorflernt.de
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