Reimar Menne (71) ist Arzt und Psychotherapeut in Gelsenkirchen. Mir ging es so, dass ich in die Geschichte seiner fiktiven Patient:innen hineingezogen wurde, die Zeit vergaß und erst wieder aufwachte, als sie dann nach 200 Seiten zu Ende war. Seine Protagonist:innen öffnen sich in dem Roman der Leser:in wie in der therapeutischen Praxis dem Autor selbst, der ihnen, sich und der Leser:in so Stück für Stück ein Ausloten der Grenzen der Selbsterkenntnis ermöglicht. Der Verfasser bietet sich seinen Patient:innen und den Leser:innen als Spiegel und begibt sich auf einen spannenden Weg, den fiktiven und doch sehr einfühlsam gezeichneten Charakteren in immer tiefere Schichten ihrer Selbsterkenntnis zu folgen. Ob und wie weit die Abwehrmechanismen, die für ihn immer auch eine Schutzfunktion des Selbstes darstellen, in den Gesprächen und in der Geschichte schließlich fallen, möchte ich nicht verraten. Eines der Anliegen von Menne ist, mit seinem Roman einen weißen Fleck auf der Seelenlandschaft zu erforschen, nämlich das Diktum, jeder Mensch sei zu einem Verbrechen fähig. Insofern sind natürlich auch die vier Themen: Gewalt, Trauma, Rache und Recht Bestandteile der bis zur letzten Seite spannenden Geschichte. Dabei lässt Menne auch erkenntnistheoretische Gedanken einfließen, und weil eine der Hauptpersonen Waldorflehrer ist, werden auch Fragen der Entwicklung der Waldorfpädagogik gestreift.
Reimar Menne: Gespiegelte Spiegel. Ein Roman über Grenzen der Selbsterkenntnis, Psychotherapie, Gewalt, Trauma, Rache und Recht, br. 202 S., 12,00 Euro.
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