Ausgabe 11/23

Hallo, mein Name ist Leana.

Leana Kuhnert

Hallo, mein Name ist Leana. Ich bin eine Transfrau. Mein ursprünglicher Name ist Leander, heute nennen mich alle Leana. Ich bin 18 Jahre alt und gehe auf die Freie Waldorfschule Überlingen, wo ich mein Fachabitur mache. Dort bin ich seit der vierten Klasse und pendle jeden Tag hin und her, ich wohne nämlich in der Schweiz.
Am ersten Schnuppertag an der Überlinger Waldorfschule dachte mein Klassenlehrer, dass er das falsche Kind hat. Doch das hat sich schnell geklärt. In dem Gespräch mit meinen Eltern nach der Probezeit hat er zugegeben, dass er erst nicht sicher war, ob er mich aufnehmen möchte, weil er noch nie so ein Kind hatte. Er hat sich aber vorgenommen, mich zu nehmen wie ich bin und an sich zu arbeiten und hat schlussendlich gemerkt, dass ich ein ganz normales Kind war. Ich fand es großartig, dass er zugegeben hat, dass es für ihn ungewohnt war. Viele andere sagen, sie hätten kein Problem und haben dann doch Mühe. Ich hatte durch meinen Klassenlehrer immer volle Unterstützung und habe mich sehr gesehen gefühlt. Die meisten anderen Lehrer:innen hatten mit mir kein Problem, nur mein Sportlehrer hatte etwas gegen mich. Er war nicht immer nett zu mir und hat versucht mich in seinem Unterricht zu drillen. Ich solle dadurch ein richtiger Junge werden. Zum Glück konnte ich dann zu den Mädchen wechseln.
Als ich mich entschieden habe, in der achten Klasse meinen Namen von Leander zu Leana zu ändern, hat meine Klasse das locker genommen. Ich hatte große Angst, dass sie es nicht verstehen würde, vor allem weil es keine offizielle Namensänderung war. Doch meine Mitschüler:innen haben mich sehr überrascht und sich bemüht, nicht mehr meinen alten Namen zu nennen. Die Lehrkräfte kommen damit auch gut klar. Nur manchmal führt es zu Verwirrung – beispielsweise als ich in der neunten Klasse mein erstes Zeugnis bekommen habe und überall mein inoffizieller Name stand. Da das damals noch als Urkundenfälschung galt,  musste ich erstmal meine Lehrer:innen darüber aufklären. Sie haben es sehr nett gemeint und wollten mich auf diese Weise bei meinem Weg unterstützen. Im folgenden Jahr haben gleich zwei Lehrer:innen geäußert, wie merkwürdig dieses Zeugnis mit meinem alten Namen sei und wie wenig richtig es sich anfühle, es zu schreiben. Mittlerweile bekomme ich zwei Zeugnisse – eins für Leana und ein offizielles für Leander.
Schwierig war es, als ich die Mädchen gefragt habe, ob ich in ihre Umkleide darf und sie sich dagegen entschieden haben. Ich habe dann mit den Sportlehrer:innen eine Zwischenlösung gefunden, denn zu den Jungs wollte ich nicht: Ich habe mich im Behinderten-WC umgezogen, musste aber meine Sachen im Flur stehen lassen. Das klang zwar erst mal gut, ich habe mich aber unwohl und ausgeschlossen gefühlt. Dennoch kann ich die Entscheidung der Mädchen verstehen. Heute ist das kein Problem mehr. Ich gehe in die Frauenumkleide und niemand hat etwas dagegen.
Schwieriger war, dass ich lange auf das Männerklo gehen musste. Ich habe mich damit gar nicht wohl gefühlt, fühlte immer alle Blicke auf mir und habe mich fehl am Platz gefühlt. Deswegen bin ich oft im Unterricht zur Toilette gegangen und habe gehofft, dass niemand dort ist. Das ging meistens gut, aber eben nicht immer. Da hätte ich mir mehr Unterstützung von meiner Schule oder den Lehrkräften gewünscht.
Trotzdem habe ich Glück mit meiner Schule. Ich fühle mich wohl und nicht ausgeschlossen. Alles ist mittlerweile so einfach und bequem wie möglich für mich geregelt – ein gutes Beispiel also für gelungene Inklusion.
Doch nur, weil es mir an meiner Waldorfschule als Transgender gutgeht, heißt das nicht automatisch dasselbe für andere Transgender. Wenn man an meiner Schule auf der offiziellen Webseite Transgender in die Suchfunktion eingibt, findet man kein Ergebnis. Gibt man Trans ein, wird man auf die Präambel der Schulordnung hingewiesen. In dieser steht, dass die Waldorfschule Überlingen ein offener Ort ist, an dem sich alle Kinder individuell entfalten können. Transmenschen werden dort also mitgedacht. Aber leider findet man kein allgemeines Konzept für den Umgang mit Transgendern. Doch warum brauchen wir ein verbindliches Konzept? Meine Schule hat eine gute Lösung für mich persönlich gefunden, doch ich musste mich immer mit allem allein auseinandersetzten und mit der Schule eine individuelle Lösung finden. Ich kann mich gut für meine Rechte einsetzten, aber es kann sein, dass das anderen Transgendern nicht so leichtfällt. Denn viele haben mit großen Unsicherheiten zu kämpfen. Es könnte viel leichter für sie sein, wenn klar ist, was man darf und was nicht.

Kommentare

Hermann J. F. König, 42897 Remscheid,

Großartig!

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