Schon während seiner Schulzeit wusste Martin von Mackensen, dass er einmal Landwirt werden wolle. In der Oberstufe knüpfte er eine ungewöhnliche Freundschaft zu Joseph Beuys, die ihn dann zunächst auf andere Pfade schickte. Nach der Schule wurde er Werkzeugmacher und pflanzte mit Beuys zusammen in den 1980er Jahren Bäume und reiste für Kunstaktionen durch deutsche Städte. Nach ein paar Jahren machte Beuys von Mackensen dann wieder auf seinen frühen Lebenstraum aufmerksam: «Wie war das denn mit der Landwirtschaft? Das ist doch viel wichtiger als Kunst», so Beuys. Die Kriterien von Kunst und die Methoden, mit denen man sich mit Kunst auseinandersetzt, seien in der Landwirtschaft ähnlich und von genauso großer Bedeutung. «Das heißt, man versucht etwas zu erschaffen, aber eben nicht mit Ton oder mit Farbe, sondern mit Böden, Pflanzen, Tieren, Landschaft, mit Wasser, und nicht zu vergessen mit dem Menschen», meint von Mackensen. Bei diesem Erschaffungsprozess gehe es um Bodenfruchtbarkeit und darum, Nahrung zu erzeugen. Es gehe außerdem «um das Verhältnis von dem, was ich konkret erzeuge, zu dem, was ich als Potenzpflege für die Zukunft betreibe. Und damit fällt der Blick auf das Tier.» Biodynamik ist also Kunst.
Um was es eigentlich geht
Zentral bei der Rolle des Tieres sei nicht die Produktion von Produkten, die verkauft werden können wie Milch, Eier, Fleisch oder Wolle, sondern die Möglichkeit, dass insbesondere mit den Wiederkäuern eine hohe Bodenfruchtbarkeit erzeugt werden kann. Durch sie kann etwas erhalten werden, was wir Menschen selbst nicht herstellen können, eine Art Information der Bodenfruchtbarkeit. «Es ist also nichts, was man im Laden kaufen kann, oder was man leicht messen kann. Für Biodynamiker:innen ist die Kuh wegen des Düngers also schon ziemlich heilig», so Mackensen.
Mensch-Tier-Beziehung im gesunden Organismus
Tierhaltung erfordert zunächst eine entsprechende innere Haltung. Die Kuh, das Schwein, das Huhn, die Biene sind in der Biodynamik keine Maschinen, die nur einfach mechanisch richtig bedient werden muss, um etwas zu produzieren. Primär sei das Tier ein Wesen. Das Ziel ist, so von Mackensen, dass die Tiere langlebig gesund im Betrieb oder auf dem Hof sind. Dementsprechend brauchen die Tiere eine optimale, ihnen am meisten entsprechende physisch-räumliche Bedingung, Ställe und Freiraum. Die Mensch-Tier-Beziehung spiele in der Biodynamik eine riesige Rolle: «Wenn es nicht eine tausende Jahre alte Beziehung zwischen Mensch und Tier gegeben hätte, gäbe es Kuh, Schwein und Schaf so nicht.» Roboter können, so von Mackensen, diese Beziehungsleistung nicht übernehmen.
Das Zentrum jeder Beziehung sei das Interesse an der Entwicklung des anderen. «Und nur wenn man in Beziehung zu diesen Tieren treten will, das heißt, von ihnen lernen will, kann man verantwortungsvolle Tierhaltung betreiben. Ich bin in Kühe verliebt! (lacht)» Durch diese Beziehung entstehe etwas, was noch größer sei als die reine Kooperation, nämlich fruchtbarer Boden, der zukunftsträchtig ist. «Ich muss als Mensch präsent und wohlwollend sein. Das Tier ist ein Wesen mit bestimmten Bedürfnissen, die heute vielleicht anders sind, als sie gestern waren. Und damit muss ich umgehen können.»
Die Zukunft: Tiere züchten, Tiere töten, Tiere essen?
Ein Blick in die Zukunft bedeutet auch, sich mit Fragen der Züchtung auseinanderzusetzen. Dabei geht es in der biodynamischen Tierhaltung nicht um Supergenetik, die dafür sorgt, noch leistungsträchtigere Lieferanten von Fleisch oder Milch zu bekommen, sondern zu schauen, welche Tiere gesund, vital und langlebig sind, und wie man die Tiere in ihrem Sosein unterstützen kann.
Über das Töten und Essen von Tieren denkt von Mackensen in differenzierter Weise nach. Es sei grundsätzlich schwer unter den angeführten Gesichtspunkten Tierhaltung im großen, und dementsprechend klimaschädlichen, Stil zu betreiben und gleichzeitig gute tierische Produkte herzustellen. Als Konsequenz fragt er: Was müssen wir von den Tieren eigentlich verzehren, was können wir den Bedürftigen überlassen? Von Mackensen ist der Überzeugung, dass Milch, Käse und Fleisch für Kinder und Jugendliche eine entscheidende Rolle spielen, als Erwachsene könne man jedoch getrost drauf verzichten. «Was die Tiere für die Bodenfruchtbarkeit machen, ist schon eine unglaubliche Leistung. So wie ich den Tieren ein gutes Leben ermöglichen will, möchte ich ihnen auch einen würdevollen Tod ohne Leid ermöglichen. Und dann will ich sie nicht kompostieren, sondern ich will, dass ihr Körper möglichst wertschöpfend genutzt wird, nicht einfach verkommt.» Fleischprodukte darf es seiner Meinung nach also geben, aber eben nur wenig davon. «Wir müssen eine Kultur entwickeln, in der wir schauen, wie wir das bisschen Muskelfleisch von einer 10 Jahre alten Kuh verwenden. Das sind ja keine dicken Masttiere. Das wäre dann etwas ganz Edles. Und da geht es nicht um ein Kilo pro Woche.» Und das habe dementsprechend einen hohen Preis.
Von Mackensen unterstreicht beim Konsum von Tierprodukten den Unterschied von Wiederkäuern zu beispielsweise Schweinen oder Hühnern, «da mit dem Wiederkäuer etwas verwertet wird, was der Mensch selbst nicht essen kann, also Gräser und Holziges. Daraus wird einerseits wertvoller Dünger gewonnen und andererseits kann der Tierkörper verwendet werden.» Für die Fütterung von Schweinen und Hühnern werden hingegen Nahrungsmittel verwendet, die mit ihrem Energie -und Proteingehalt auch wertvoll für den Menschen sind. Laut von Mackensen werfe das im Nachhaltigkeitskontext nochmal ein anderes Licht darauf, wie sparsam wir mit dem Frühstücksei oder dem Schweineprodukt sein sollten, wenn wir wissen, wie viel Getreide und Hülsenfrüchte angebaut werden müssen, um diese Tiere zu füttern. Wer Fleisch isst, sollte sich seiner Meinung nach fragen: Wenn ich überhaupt Fleisch esse, wann brauche ich wirklich Schwein oder Huhn oder kann ich nicht auch Schaf, Ziege oder Rind essen, da man mit diesen fütterungstechnisch ganz anders umgehen kann? «Wenn ich Fleisch von einem biodynamischen Wiederkäuer esse, dann weiß ich, das sind Wesen, die für den Menschen unverdauliches organisches Material veredeln und in etwas verwandeln, was höchst wertvoll ist für die Bodenfruchtbarkeit.»
Wiese und Weide, Acker und Garten werden verbunden durch den Wiederkäuer. Zwar stößt auch eine biodynamische Kuh Methan aus, problematisch wird es damit jedoch erst, wenn der Organismus nicht mehr gesund ist, und das ist global gesehen durch Massentierhaltung der Fall. Von Mackensen verweist außerdem auf unterschiedliche Weltregionen, die Ackerbau nur nachhaltig sinnvoll machen können, wenn Leguminosen, also Hülsenfrüchte, angebaut werden. «Und dafür brauchen wir Tiere, die daraus guten Dünger machen, damit Kohlenstoff im Boden gebunden werden kann. Ich bin ganz sicher: die billigste und einfachste Art Kohlenstoff zu binden, kriegen wir durch das Halten von Wiederkäuern hin. Wir werden den Planeten nur durch eine Humus aufbauende Bodenfruchtbarkeit retten können, durch eine nährende Landwirtschaft.»
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