Ausgabe 01-02/24

Ich bin! Margot Friedländer - ab 16 Jahren

Kolumne Knilli
© ZDF/Dirk Heuer

Ich werde nicht mehr ewig leben, aber ich möchte, dass die nachfolgenden Generationen Zeugnis geben können. Respektiert Menschen, seid Menschen – wenn man Mensch ist, kann man seine Hand nicht gegen andere erheben.»

In dem Doku-Drama Ich bin! Margot Friedländer steht diese beeindruckende Frau dem Regisseur Raymond Ley Rede und Antwort. Klar und selbstbewusst legt sie Zeugnis ab: Wie sie 1943 in Berlin als junge Frau von nur 22 Jahren plötzlich ganz auf sich allein gestellt war, weil der Vater bereits ermordet, der kleine Bruder und die Mutter von den Nationalsozialisten deportiert worden waren. Wie sie 15 Monate lang immer wieder bei fremden Leuten Unterschlupf suchen musste. Wie diese Fremden ihre Notlage ausnutzten. Wie sie schlussendlich doch an die Gestapo verraten und in das Konzentrationslager Theriesenstadt verschleppt wurde.

Regisseur Ley spürt Friedländers außergewöhnlicher Lebensgeschichte dramaturgisch klug mittels verschiedener sowohl dokumentarischer als auch fiktionaler Erzähl-Ansätze nach. Zusammen ergeben sie ein dichtes Gewebe aus Fakten, Emotionen und Reflexion. Als Zuschauerin eröffnen sich mir so unterschiedliche Möglichkeiten, mich auf dieses einmalige Zeitzeugnis einzulassen.

Die Interviews mit der uralten, hellwachen Dame wechseln sich mit Spielszenen ab, in denen die Schauspielerin Julia Anna Grob mit großer Ernsthaftigkeit Margot Friedländer als junge Erwachsene verkörpert. Margot träumt davon, Schauspielerin zu werden und steht im Jüdischen Kulturbund in kleinen Rollen auf der Bühne. Das Theater ist ihre Welt, bis das nationalsozialistische Gewaltregime einen Strich durch ihre Lebenspläne macht.

Doch Margot überlebt das Grauen. Ein weiterer Erzählstrang zeigt Friedländer als Emigrantin in New York (herzergreifend gespielt von Schauspielerin Ilona Schulz). Sie ist Ende siebzig, gerade verwitwet und beginnt, ermutigt durch einen Senioren-Schreibkurs, ihre Lebensgeschichte aufzuschreiben. 2008 wird ein Buch daraus: Versuche, dein Leben zu machen.

Historisches Filmmaterial in Schwarz-Weiß und eine aktuell gedrehte Szene, in der die junge Schauspielerin Grob und die Zeitzeugin Friedländer an einem der Original-Schauplätze in Berlin aufeinandertreffen, vervollständigen dieses überaus gelungene Doku-Drama.

Ich bin! Margot Friedländer (D 2023, ZDF, 90 Minuten) ist in der ZDF-Mediathek abrufbar: https://t1p.de/Ichbin. Ich empfehle den Film jungen Leuten ab 16 Jahren sowie ihren erwachsenen Mitmenschen.

Bitte beachten Sie die Kurze Anleitung für einen gelungenen Filmnachmittag.

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