Ausgabe 07-08/24

Inneres Gleichgewicht für Fortgeschrittene

Susanne Bregenzer

Lächerliches kleines Wort, mit großer Wirkung. «Alle! Haben ein Handy!» «Alle! Hören mit ihrem Instrument auf!» «Alle! Dürfen immer Computerspielen!» «Alle! Essen nicht in der Mensa!» «Alle! Dürfen diesen Film sehen!»

Irgendwas ist an diesem Wort, dass ich die Orientierung verliere und wie irre zu rudern beginne. Alle. Das bedeutet doch, dass nur mein armes Kind ausgeschlossen ist – ausgeschlossen vom Rest, also von allen! Das ist schrecklich. Da muss ich sofort handeln, oder?

Zuerst werde ich wütend. Wieso können nicht alle anderen und vor allem auch die Eltern von allen anderen anders handeln? So, wie es mir gefällt? Sie sollten ihr Leben anhalten und mich vorher fragen, so wäre es recht. Aber das tun die nicht. Ich kann also auf «alle» schimpfen. Oder ich gebe den Wünschen des Sohnes nach. Aber dieser Anschluss an den Strom «alle-r» – damit fühle ich mich nicht gut.
Irgendwann halte ich es nicht mehr aus und befrage einige dieses ominösen Kollektivs «alle». Es stellt sich heraus, dass es «alle» gar nicht gibt! Ich bekomme ganz unterschiedliche Antworten! Doch die Erleichterung will nicht kommen, denn natürlich gibt es diese Kinder, die all das wirklich schon haben und all das schon dürfen. Manchmal sind sogar wir «alle» – für andere nämlich, zu irgendeinem Thema, bei dem wir längst nachgegeben haben.

Also muss ich wohl einen anderen Halt finden. Vielleicht hier bei uns, in uns, in mir und in meinem Mann und in meinen Kindern? Ein Abwägen, ein immer neu Entscheiden und Dranbleiben, eine neue, innere Sicherheit. Aber woran orientieren? An dem, was dieses Kind braucht – an unserem eigenen Gefühl, an unseren Möglichkeiten. Und dann wird es richtig. Nur so. Das Zerreißen hört auf. Das Kind akzeptiert die Entscheidung ganz ruhig und offen.

Das Wort schrumpft wieder. Es klingt irgendwie albern, dass es jemals so viel Macht hatte über mich. Ich tippe diesen Text und denke: «Der könnte alle interessieren». Aber vielleicht stimmt das nicht. Vielleicht ist dieser Text nur für mich.

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