Instrumente des Friedens. Ein deutsch-syrisches Musikprojekt

Tobias Gräff

Und wie schön wäre es, wenn am Ende dieses Projektes alle gemeinsam in einem kleinen Orchester mitspielen könnten, wenn syrische Kinder und Jugendliche mit deutschen Schülern zusammen Musik machten und wenn schließlich jeder ein eigenes Instrument bekäme, das er über das Projekt hinaus üben und spielen könnte! Shahed, zehn Jahre alt, weiß jetzt schon, dass sie Geige spielen will. Sie schaut das Instrument genau an. Sie träumt davon, auch einmal den Bogen über die Saiten flitzen zu lassen. Der 28-jährige Wesam, der sich als Dolmetscher zur Verfügung gestellt hat, möchte Klavierspielen lernen; er wünscht sich ein Keyboard, das er sich von seinem eigenen Geld nicht leisten kann.

Auf der Suche nach einem Beitrag, der die Lage der Flüchtlinge in Ravensburg verbessern könnte, entstand die Idee, mit ihnen Musik zu machen: Das Erlernen und der spätere Besitz eines Instruments sowie das gemeinsame Musizieren mit deutschen Schülern könnte ihnen helfen, sich willkommen zu fühlen. Für die deutschen Schüler wird die Möglichkeit geschaffen, sich konstruktiv an dem Prozess der Integration zu beteiligen und ein Verständnis für die Kultur der Teilnehmer zu gewinnen.

Damit jedoch das Üben und Musizieren gelingen kann, müssen zunächst ganz grundlegende Dinge wie Konzentration, Rücksichtnahme oder Geduld geübt werden, denn wer Teil eines Orchesters sein will, muss auf die anderen Stimmen lauschen lernen, damit ein schöner Gesamtklang entstehen kann. Er darf sich nicht in den Vordergrund spielen und laut seine Stimme durchsetzen.

Erst auf diese Weise kann die Erfahrung gemacht werden, dass jede Stimme, auch die zarten und nur selten erklingenden wichtig sind. So gleicht das gemeinsame Musizieren demokratischen Prozessen, in denen ähnliche Kompetenzen eingeübt werden müssen.

Gemeinsam musizieren ist mehr als Töne erzeugen

Geduld, Einfühlungsvermögen und Kreativität wurden in besonderem Maße auch von den deutschen Schülern verlangt, da die Herausforderungen für sie als Betreuungspersonen vielfältig waren: Wie geht man mit Störungen um, ohne die Teilnehmer einzuschüchtern, und wie kann man sich verständigen, wenn man verschiedene Sprachen spricht? Wie soll man dem kleinen Mohamad sagen, dass er noch nicht alleine Gitarre spielen kann, da seine Arme noch zu kurz sind? Solche Fragen wurden immer wieder außerhalb der Proben miteinander besprochen und es wurden die nächsten Einsätze geplant. Nach fünfzehn Abenden entstanden vier Stücke: Ein einfacher deutscher Kanon, ein israelisches Instrumentalstück, ein arabisches Lied und eine Bodypercussion, die in der Freien Waldorfschule Ravensburg im Rahmen des Schulkonzerts »Sounds of Peace« erklangen.

Das kleine Orchester spielte und in einem großen Chor wurde das arabische Lied »Lama bada« gesungen, bei welchem auch syrische Gäste im Saal mitsangen, weil es nach Heimat und vielleicht ein bisschen nach Frieden klang. Wesam besitzt nun sein eigenes Keyboard, das nach einem Aufruf gegen einen kleinen Beitrag gespendet wurde.

Er spielt täglich und hat schon eigene Kompositionen erfunden. Dank dem Bundes-Förderprogramm »Demokratie leben!«, der Stadt Ravensburg und dem Förderverein der Freien Waldorfschule Ravensburg war es möglich, für jeden der 25 Teilnehmer, ein eigenes Instrument der Wahl zu kaufen. Ehrenamtliche Instrumentallehrer haben sich unmittelbar nach dem Konzert gemeldet. So konnten die Teilnehmer erleben, dass sie willkommen sind und auch die Schüler durften erfahren, dass sie fähig sind, einen sinnvollen Beitrag zur Integration zu leisten.

Zum Autor: Tobias Gräff ist Musiklehrer an der Freien Waldorfschule Ravensburg und freier Sozialkünstler; er ist zusammen mit seinem syrischen Freund Bashar Kasou Initiator des Projekts.

www.tobiasgraeff.de